Kap
XIV.
Die norddeutschen Küstengebiete.
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gleichlich harmonischen Eindruck macht. Letztere gehören der
Renaissance an und sind mit ihren eingelegten Holzmosaiken
1594 ausgeführt. Die Gemälde der Decke sind im Geist und den
Formen der Kranachschen Schule behandelt. Am Eingang des
Saales bilden zwei ungleiche Flachbögen auf kräftiger Rundsaule
eine Art Vorhalle. Im_ Flur ist ein prachtvolles Eisengitter von
Hans Rage 1576 ausgeführt, ohne alles phantastische Element,
nur mit schön stilisirten Blumen geschmückt. Das Zimmer rechts
Vom Eingange im Erdgeschoss zeigt eine gute Holztäfelung vom
Jahre 1604.
Den Stolz des Rathhauses bildet aber der Rathssaal, 1566
bis 1578 durch Albert von Soest mit einer künstlerischen Aus-
stattung versehen, welche alles überbietet, was jemals deutsche
Schnitzkunst hervorgebracht. Man liest daran: Albertus Suza-
tißnsis fecit. Zunächst sind die Schranken mit den Sitzen für die
Rathsherrn auf's Reichste mit zierlich ausgeführten Reliefs der
biblischen Geschichte dekorirt. Man sieht das Urtheil Sal0m0n's,
das jüngste Gericht, Moses das Volk strafend, dazu die Statuetten
V011 Moses, Aron und Josua, Alles in kleinstem Maassstabe mit
hoher technischer Meisterschaft durchgeführt. Einfacher ist die
Bekleidung der Wände, sowie die cassettirte Decke mit ihren
vellä-"Oldeten Rosetten. Der Künstler hat sich die Hauptwirkung
für die architektonisch hervorragenden Theile aufgespart. Schon
die Friese mit den herrlichen kleinen Köpfchen, die aus den
Ranken hervorragen, gehören zum Köstlichsten ihrer Art. Aber
die grösste Pracht entfaltet sich an den vier Thüren. Die beiden
ersten, einfacheren sind mit Hermen und Karyatiden eingefasst
und mit figurenreichen Reliefscenen bekrönt. Eine dritte Thür
hat ebenfalls Karyatiden und ähnlichen Reliefschmuck. Alles wird
aber überboten durch die vierte Thür, vor welche als Stützen
fies Gebalks völlig durchbrochen gearbeitete Pfeiler treten, die
"_1 unglaublichem Reichthum mit Voluten, Masken und Hermen
51011 aufbauen, in der Mitte Nischen mit Kriegerstatuetten ent-
halten, diese wieder eingerahmt von Pfeilern, die wiederum auf
Pßßtarnenten mit spielenden Putten kleinere Statuetten der Tugen-
den zeigen unter Baldachinen, die von Genien gehalten werden.
Darüber thürmt sich nach Art mittelalterlicher Baldachine und mit
reichlicher Anwendung von durchbrochenen gothischen Fenstern,
Stfßbepfeilern und Fialen ein Oberbau auf, der wieder mit den
Winzigsten Figürchen und allen erdenklichen Elementen der Re-
nQissance-Ornamentik ausgestattet ist. Das Ganze bietet den
Elndruck hößhsier Ußppigkeit, voll jener bewundernswürdigen
Phantastik, die auch im Sebaldusgrabe Peter Vischer's waltet,
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