III.
Buch.
Renaissance in Deutschland.
A. Allgemeiner Theil.
(lass er in beiden Fällen nichts vorfand, als die wenigen ganz
unregehnässigen Fenster-Öffnungen, die weder ncben- noch über-
einander angebracht sind. Ueber diese wirft er nun ganz frei ein
architektonisches Gerüst, das in seinem prachtvollen Aufbau uns
einen Phantasiepalast vor Augen zaubert, mit hohen Wölbungen
und Arkaden, mit perspektivisch vorspringenden Saulen- und
Pfeilerstellungen, mit reichlichem Schmuck von Statuen und an-
derem Bildwerk, mit frei componirten Bekrönungen und erna-
mentalen Friesen (Fig. Auch jene durehbrochenen Galerien
auf Konsolen kommen vor (Fig. 5T), i-welche dann mit Figuren
belebt werden, um den täuschenden Eindruck der Wirklichkeit
zu erhöhen. Man muss gestehen, dass hier gleichsam aus dem
Nichts, mit'den bescheidenen Mitteln dekorativer Malerei ein
Ganzes von festlicher Pracht hing-ezaubert ist. Die Baseler Samm-
lung besitzt noch eineAnzahl ähnlicher Entwürfe, in welghgn die
Mannigfaltigkeit und Leichtigkeit der Erfindung unerschöpflich
zur Erscheinung kommt. 1) Und doch waren dies nur untergeord-
nete Arbeiten, nieht grade hochstehend in der Schätzung der
Zeitgenossen, so dass der Rath von Basel in seiner Bestallung
vom 16. October 1538 eingesteht, des Meisters Kunst und
Arbeit sei weit mehr werth, als dass sie an alte Mauern und
Hauser vergeudet werden solle. Wenn in demselben Schreiben
seine Kenntniss der Bauangelegenheiten gerühnit wird, so zeig-t
eine weitere Umschau über seine Werke, wie gerechtfertigt dies
Lob war.
Vor Allem sind hier die zahlreichenoElßvürfe zu Glas-
gemalden zu erwähnen, von denen namentlich das Baseler
Museum eine ganze Reihenfolge besitzt. Zu den schönsten gehören
die berühmten Blätter der Passion. Holbein giebt jeder Seene
einen architektonischen Rahmen in freiester Verwendung aller
Arten von Rcnaissanceformen, die er auch für diesen Zweck mit
voller Meisterschaft beherrscht. Kräftige Pfeiler wechseln mit
Säulen, bei denen die ausgebauchte Form des Schaftes beliebt
ist. Pfianzenornament, lustiges Rankenwerk, Masken und Me-
daillons, spielende Genien mit Frucht- und Blumcnschnüren sind
reichlich verwendet. Die Formen sind" durchweg derb, sogar
übertrieben; aber mit Recht hat Woltmann darauf hingewiesen,
dass grade darin eine künstlerische Rücksicht auf die Bedürfnisse
der Glasmalerei zu. erkennen ist. Denn diese Technik verlangte
1) Die Fagade des Hauses zum Greifenstein, welche Woltmann (I, 288)
ebenfalls Holbein zuschreibt, verräth entschieden die Hand eines geringeren
Zeitgenossen.