Kap. XIV.
Küstengebiete.
norddeutschen
Die
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Epoche, wo die junge Rechtstadt in mächtigem Emporblühen des
Handels und Wohlstandes ihrem höchsten Glanze entgegen 'ging.
Charakteristisch ist nun an diesem Bau, dass er ganz aus Quadern
aufgeführt ist, da doch sämmtliche Kirchen und Privathauser der
mittelalterlichen Epoche Backsteinbauten sind. Späterhin scheint
sogar der gebrannte Stein fast das ausschliessliche Material für
kirchliche Bauten zu werden, während an den Bürgerhausern und
den stattlichen Profangebäuden der Renaissancezeit man sich über-
wiegend dem Hausteine zuwandte, oder aus ihm Wenigstens die
wichtigsten architektonischen Theile, Gesimse, Einfassungen und
Ornamente bildete. Das Rathhaus hat durch die altergeschwärzten
Quadern, durch das trotzige Vor-springen in die Strassenlinie,
durch den horizontalen Abschluss der compacten Massen etwas
Imponirendes, einen Ausdruck von Macht und Herrschaft erhalten.
Grosse viereckige Fenster, durch steinerne Stäbe getheilt, durch-
brechen die Flächen. Auch der Thurm ist in seinen unteren
Theilen noch gothisch, 1465 aufgeführt, nur die schlanke zier-
liche Spitze datirt von einer Restauration aus den Jahren
1559-1561. Diese Spitze ist die feinste Blüthe jener üppigen,
schnörkelhaften schon in's Barocke auslaufenden Spatrenaissance,
ein Wunder in ihrer Art. Der Barockstil scheint hier einen Wett-
ka.mpf mit der luftig aufstrebenden Gothik versucht zu haben, so
leicht, elegant und zierlich in der Verjüngung; so mannichfaltig und
reich in ihrem Umriss steigt diese Spitze in die Luft. Aller-
dings von dem strengen geometrischen Formalismus, dem orga-
nischen Aufwachsen einer gothischen Thurmpyramide ist nicht
die Rede; aber um so bemerkenswerther, ja in malerischer Hin-
sicht den gothischen Thürmen wohl noch überlegen, ist dies
krause Spiel von rundlichen Formen, die eigentlich dem Princip
des luftigen Aufstrebens fremd, doch auf's Schönste zu ver-
wandter Wirkung benutzt sind. Die ganze Spitze ist vergoldet
und mit einer ebenfalls vergoldeten geharnischten Figur bekrönt,
S0 dass im hellen Sonnenschein der Eindruck noch glänzender,
ätherischer wird. -
Auf einer prächtigen, bequemen, aus Eichenholz geschnitzten
Wendeltreppe 1) gelangt man im Innern zum Hauptgeschoss und
zunächst in die Sommerrathsstube, die in reichster Pracht der
Renaissancezeit mit ihrer brillant vergoldeten und gemalten Decke,
V0I1 welcher durchbrochene, äusserst reich und zierlich gearbeitete
Zapfen niederhängen, ein Bild stolzen, üppigen Wohlstandes istß).
Abbild. bei Schultz Nr.
Kl1818r, Gesch. d. Baukunst. V.
2) Vergl-
Schultz