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III.
Buch.
Renaissance in Deutschland.
Allgemeiner Theil.
einer der Ersten, Welche den neuen Stil in monumentalen Wer-
ken zur Anwendung gebracht haben. Seine Faeadenmalereien,
soweit sie uns aus Entwürfen und Nachbildungen bekannt sind,
bezeugen, mit welch genialer Freiheit er diese Gattung von Dar-
stellungen ausgebildet hat. Das ganze 16. Jahrhundert bleibt
in den alemannischen Gebieten am Oberrhein, in der Schweiz,
wie im oberen Elsass von ihm abhängig. Wir dürfen ihm die
erste Anwendung und Feststellung dieser Art von Wanddekoration
zuschreiben. Sie weicht in wesentlichen Punkten von dem ab,
was Italien auf diesem Felde geleistet hat; denn die dort empfan-
genen Einiiüsse werden in freier Weise, nach den ganz beson-
deren Bedingungen der Aufgabe, umgestaltet. In Oberdeutsch-
land war die Mehrzahl der bürgerlichen Wohnhäuser damals (wie
noch jetzt gewöhnlich) ohne höhere architektonische Ansprüche,
häufig; sogar in Fachwerk, zumeist aber in Putzbau ausgeführt,
Höchstens für das Rahmenwerk der Fenster und Thüren wendete
man Haustein an. Auch in der Eintheilung; zeigen diese Facaden
alle Zwang-losigkeit der damaligen Bauweise, indem sie ohne
Rücksicht auf Symmetrie die Oeffnungen ganz unregelmässig nach
Willkür und Bequemlichkeit vertheilen. Aber die Form- und
Farbenlust der Zeit begnügte sich nicht immer damit: sie suchte
nach einem Ausweg, und sie fand ihn in der Malerei. Dem
Maler wurde die Aufgabe zu Theil, die Facaden mit heiteren
und ernsten Geschichten, meist aus dem klassischen Alterthume,
zu schmücken und durch sein Werk die Unregelmässigkeit der
Anlage zu verdecken. Zur Ausführung solche? Arbeiten gehörte
aber ausser dem, was man sonst vom Maler zu verlangen pflegt,
ein entwickelter architektonischer Sinn, Verständniss der Bau-
formen, Geschick in Verwendung und Verbindung derselben.
Hier kam den damaligen Künstlern ihre Vielseitigkeit zu statten,
ja bei den vorzüglichsten, bei einem Meister wie Holbein vor
allen, kann man von Universalität sprechen. Was den heutigen
Malern bei zunehmender Einseitigkeit der Ausbildung fast völlig
fehlt, das besitzt Holbein in vollendetem Grade. Zunächst nimmt
er, wie beim Hertensteidschen Hause in Luzern,1) die Facade
als eine Teppichiiäche, die er in schicklicher Gliederung mit den
Schöpfungen seiner Phantasie bekleidet; im Hauptbilde aber sorgt
er für einen architektonischen Hintergrund, der als prächtige
Kuppelhalle mit Nische, auf Säulen sich öffnend, dem Ganzen
als bedeutsamer Mittelpunkt dient. Freier entwickelt sich der
Stil des Meisters und grossartiger seine architektonische Auffassung-
Woltmann , Hvolbein
und
seine Zeit.
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