Volltext: Geschichte der deutschen Renaissance (Bd. 5)

58 
III. 
Buch. 
Renaissance in Deutschland. 
Allgemeiner Theil. 
einer der Ersten, Welche den neuen Stil in monumentalen Wer- 
ken zur Anwendung gebracht haben. Seine Faeadenmalereien, 
soweit sie uns aus Entwürfen und Nachbildungen bekannt sind, 
bezeugen, mit welch genialer Freiheit er diese Gattung von Dar- 
stellungen ausgebildet hat. Das ganze 16. Jahrhundert bleibt 
in den alemannischen Gebieten am Oberrhein, in der Schweiz, 
wie im oberen Elsass von ihm abhängig. Wir dürfen ihm die 
erste Anwendung und Feststellung dieser Art von Wanddekoration 
zuschreiben. Sie weicht in wesentlichen Punkten von dem ab, 
was Italien auf diesem Felde geleistet hat; denn die dort empfan- 
genen Einiiüsse werden in freier Weise, nach den ganz beson- 
deren Bedingungen der Aufgabe, umgestaltet. In Oberdeutsch- 
land war die Mehrzahl der bürgerlichen Wohnhäuser damals (wie 
noch jetzt gewöhnlich) ohne höhere architektonische Ansprüche, 
häufig; sogar in Fachwerk, zumeist aber in Putzbau ausgeführt, 
Höchstens für das Rahmenwerk der Fenster und Thüren wendete 
man Haustein an. Auch in der Eintheilung; zeigen diese Facaden 
alle Zwang-losigkeit der damaligen Bauweise, indem sie ohne 
Rücksicht auf Symmetrie die Oeffnungen ganz unregelmässig nach 
Willkür und Bequemlichkeit vertheilen. Aber die Form- und 
Farbenlust der Zeit begnügte sich nicht immer damit: sie suchte 
nach einem Ausweg, und sie fand ihn in der Malerei. Dem 
Maler wurde die Aufgabe zu Theil, die Facaden mit heiteren 
und ernsten Geschichten, meist aus dem klassischen Alterthume, 
zu schmücken und durch sein Werk die Unregelmässigkeit der 
Anlage zu verdecken. Zur Ausführung solche? Arbeiten gehörte 
aber ausser dem, was man sonst vom Maler zu verlangen pflegt, 
ein entwickelter architektonischer Sinn, Verständniss der Bau- 
formen, Geschick in Verwendung und Verbindung derselben. 
Hier kam den damaligen Künstlern ihre Vielseitigkeit zu statten, 
ja bei den vorzüglichsten, bei einem Meister wie Holbein vor 
allen, kann man von Universalität sprechen. Was den heutigen 
Malern bei zunehmender Einseitigkeit der Ausbildung fast völlig 
fehlt, das besitzt Holbein in vollendetem Grade. Zunächst nimmt 
er, wie beim Hertensteidschen Hause in Luzern,1) die Facade 
als eine Teppichiiäche, die er in schicklicher Gliederung mit den 
Schöpfungen seiner Phantasie bekleidet; im Hauptbilde aber sorgt 
er für einen architektonischen Hintergrund, der als prächtige 
Kuppelhalle mit Nische, auf Säulen sich öffnend, dem Ganzen 
als bedeutsamer Mittelpunkt dient. Freier entwickelt sich der 
Stil des Meisters und grossartiger seine architektonische Auffassung- 
Woltmann , Hvolbein 
und 
seine Zeit. 
217i.
	        
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