718
III. Buch.
Renaissance in Deutschland.
bindung, welche die Formen der antiken Kunst mit den mittel-
alterlichen Verhältnissen des Grundrisses und Aufbaues eingehen
mussten, ist auch hier ein merkwürdiger Mischlingsstil hervorge-
gangen. Dennoch wirken diese Facaden, blos malerisch be-
trachtet, höchst bedeutend, wozu die reiche Fülle des Ornaments
und die Gediegenheit des Materials ein trefllicher Haustein,
ja selbst Marmor scheint vorzukommcn das vlhrige beitragen-
So finden sich an einem Hause der Langgasse, welches mit 1567
bezeichnet ist, Triglyphenfriese mit Schilden und Thierköpfen,
darunter Maskenkonsolen und reizende Arabesken; oben ge-
schweifter Giebel mit grossen Reliefmedaillons. Meistens werden
die Systeme der antiken Baukunst in kräftigen Pilasterstellungen
den schmalen, aber hohen Facaden vorgesetzt; oft auch erhält
dann das Ganze als Abschluss eine Balustrade mit Statuen,
welche den abgewalmten Giebel zu verdecken hat. So in dem
reich behandelten Hause der Langgasse, welches wir unter
Fig. 198 beifügen. Manche Beispiele dieser prächtigen Facaden
mit ihren Beischlägen finden sich in dem schönen Werke voll
Schultz; eine noch grössere Anzahl liegt in Photographien vol",
welche nach Prof. Bergau's Anweisungen gefertigt sind. Es ge-
nügt hier, auf diese Publicationen zu verweisen. Ein stattliches
Hausportal ist oben unter Fig. 31 auf S. 161 abgebildet.
Gelegentlich führte die Verbindung der antiken Formen mit
den mittelalterlichen selbst in der Construction zu seltsamen
Formspielen. So ist in einem anderen Hause der Langgasse,
welches einer Buchhandlung gehört, der vordere Raum eine grossß
Halle, deren reiche Sterngewölbe auf toskanischen Säulen ruhen-
Diese Gewölbe sind aber ohne Rippen aufgeführt und dürften 111
constructiver Hinsicht nur die Bedeutung von Tonnengewölben
haben. Der nach dem Hofe liegende Saal ist dagegen flach be-
deckt, die Decke prächtig in Holz geschnitzt mit zierlich ausgß"
bildeten Zapfen und farbig eingelegten Figürchen. In einem
schönen Hause derselben Gegend sieht man einen Saal mit nicht
minder trefflich geschnitzter Holzdecke, deren Eintheilung in
glücklichem Verhältniss zur Grösse des Raumes steht, und deren
Felder mit gemalten Darstellungen versehen sind 1).
Unter den städtischen Profanbauten tritt das Recht-
städtische Rathhaus vor Allem bedeutsam hervorß). Seinem
Hauptkörper nach stammt es noch aus gothischer Zeit, aus der
Die Darstellungen von Prof. Schultz, a. a. O. I, 8. II,
ergeben vorzügliche Bilder dieser prachtvollen Innenräume.
Hoburg, Gesch. des Rathh. der Rechtstedt D. 1857.
12 und 91-
2) Vergl-