Volltext: Geschichte der deutschen Renaissance (Bd. 5)

Kap- 
XIV. 
Die norddeutschen Küstengebiete. 
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würdig von dem künstlerischen Charakter der Profan- und Pri- 
vatarchitektur abweichen. Während diese überwiegend eine üp- 
pige Renaissance zeigen, erheben sich jene in ernsten, schweren 
Massen eines gothischen Backsteinbaues, und selbst das Material 
bildet einen Unterschied, da die Privathäusei- grösstentheils aus 
Hausteinen, und nur einige grössere öffentliche Gebäude aus einer 
Mischung dieses Materials mit dem Backstein aufgeführt sind. 
Dagegen hat aber spätere Geschmacksrichtung sich nicht blos an 
den mannigfaltigen Gegenständen der inneren Ausrüstung schad- 
los gehalten, sondern consequenter Weise fast jedem der zahl- 
reichen Kirchthürme der Stadt seine wunderlich schnörkelhaften 
Hauben aufgezwängt.  
Betritt man zum ersten Mal die Strassen Danzigs, so ist man 
überrascht von der hohen malerischen Schönheit dieser Anlage, 
der seltenen Grossartigkeit, der üppigen Pracht, die sich überall 
kund giebt. Vor Allem bestimmend für den Eindruck der Stadt 
sind die sogenannten "Beischläge", die leider seit einiger Zeit 
dem modernen Verkehrsbedürfniss immer mehr zum Opfer fallen. 
Nur wer diese noch in ganzer Vollständigkeit gesehen, weiss was 
das alte Danzig gewesen. Diese nßeischläge" sind für die 
Strassen Danzigs das eigentlich Charakteristische. Auch in andern 
alten Städten linden sie sich, aber nirgends so grossartig ange- 
legt, nirgends so stattlich architektonisch ausgeprägt, nirgends 
(wenigstens bis vor Kurzem) so zahlreich erhalten wie hier. Sie 
wurden in den meisten mittelalterlichen Städten durch die Be- 
schaffenheit der Häuser und die Sitte der Bürger hervorgerufen. 
In jener Zeit waren die Wohnungen selbst des reicheren Privat- 
mannes eng, niedrig, beschränkt. Es galt auf möglichst kleinem, 
fest umgürteten Bezirk eine möglichst grosse Menge zu Schutz 
und Trutz Verbundener zusammenzudrängen. Der enge Hausraum 
wurde daher fast gänzlich von den für die geschäftliche Thätig- 
keit des Besitzers nothwendigen Lokalitäten in Anspruch ge- 
nommen. Aber am Abend, nach vollbrachtem Tagewerke, wollte 
man gern einen Treieren Platz zur Hand haben, auf dem die 
Familie im traulichen Beisammensein sich von der Arbeit erholen 
konnte. Aus diesem Bedürfniss entstanden gewisse breite, mit 
mehreren Stufen über das Niveau der Strasse sich erhebende, 
die ganze Front des Hauses begleitende Vorplätze, die man mit 
Steinernen Balustraden und eisernen messingverzierten Geländern 
Ilmgränzte und mit Bänken ausstattete. Diese Vorbauten nennt 
man „Beisehläge". Gegenwärtig hat zwar seit geraumer Zeit das 
Familienleben sich von den Beischlägen in's Innere der Häuser 
zurückgezogen. Der Bürger des neunzehnten Jahrhunderts ist
	        
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