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III. Buch.
Renaissance in Deutschland.
grösseren Bedeutung empor, wie sie denn auch noch jetzt den
glänzenden Mittelpunkt bildet. Hier erhebt sich der kolossale
Bau der Hauptpfarrkirche zu St. Marien, einer der grösseren
Kirchen Europas, hier liegen die Johannes, die Dominikaner-,
die h. Geistkirche; hier sind die schönsten Strassen mit den
prachtvollsten Häusern, hier ist vor Allem der Lange Markt mit
dem Artushof und dem imposanten Rechtstädtischen Rathhaus.
Unter der klugen Herrschaft der Ritter entwickelte sich in andert-
halb Jahrhunderten die Blüthe der Stadt, die durch ihre Lage in
fruchtreicher üppiger Gegend und besonders in der Nähe der
Weichsel, mit der sie durch die selbst für grössere Schiffe fahr-
bare Mottlau in unmittelbarer Verbindung steht, sich bald zum
wichtigen Handelsemporium, zu einem der vier Vororte der Hansa
und zur Kornkammer des Nordens aufschwang. Nachdem sie
im Jahre 1454, zu gesteigertem Selbstgefühl erstarkt, die drückende
Herrschaft des Ordens abgeschüttelt hatte, kehrte sie unter die
Oberhoheit der polnischen Krone zurück, jedoch mit so bedeutenden
Privilegien, dass sie für sich einen kleinen, aber mächtigen Frei-
staat bildete. In- diese Zeit fallen wiederum bedeutende Bau-
unternehmungen, namentlich der Umbau und die Erweiterung der
Marienkirche zu ihren jetzigen grandiosen Dimensionen. Dass
auch in den folgenden Jahrhunderten diese Blüthe noch im Zu-
nehmen begriffen gewesen, erkennt man an der prachtvollen
Entwicklung, welche in diesen Zeiten der Privatbau erfuhr, an
der reichen Ausschmückung und Vollendung der öffentlichen
städtischen Gebäude und der Kirchen. Im siebzehnten Jahr-
hundert scheint die Bevölkerung der Stadt bis auf 80,000 Ein-
wohner gestiegen zu sein, eine Höhe, welche sie erst seit Kurzem
wieder erreicht, ja überschritten hat.
Diesem Entwiekelungsgange entsprechend hat sich auch die
Physiognomie der Denkmäler gestaltetl). Mit der Anlage der
Rechtstadt im 14. Jahrhundert begann wohl erst eine bedeutendem
Entfaltung des Kirchenbaues; mit zunehmender Bevölkerung
musste durch Neubau und Vergrösserung der Körper der kirch-
liehen Gebäude verändert werden, bis endlich den nachfolgenden
Geschlechtern nur noch übrig blieb, durch kostbare Ausrüstung
und Verzierung auch ihrem frommen Eifer zu genügen. Es ist
nun bezeichnend, wie die Kirchen in ihrer Gesammthalmng merk-
Ueber keine deutsche Stadt besitzen wir ein auch nur annähernd
so schönes und bedeutendes Werk wie über Danzig in den Radirungell
von Prof. Schultz. Dazu kommen neuerdings zahlreiche photographische
Aufnahmen der Herren Ballerstädt und Radtke in Danzig.