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IIL: Buch.
Renaissance in Deutschland.
früheren Kunstwerke gebracht hat, konnten hier nur massig sich
einnisten, so dass der Eindruck bei allem Reichthum und grosser
Mannichfaltigkeit ein harmonischer ist.
Die Renaissance kommt in diesen Gebieten merkwürdiger
Weise erst sehr spat zum Durchbruch. Lagen sie Italien zu
fern? war die nordisch ernste Weise der anmuthig heiteren Kunst
verschlossen? blieb man lieber in treuem Festhalten bei der
gothischen Kunst der Vater stehen, oder wirkten alle diese Um-
stände zusammen? Genug, es wird sich vor 1550 kaum ein nen-
nenswerthes Werk der Renaissancekunst aufweisen lassen. Um
diese Zeit aber beginnt auch hier die neue Kunst einzudringen.
Es sind hauptsächlich die durch nahen Handelsverkehr ver-
bundenen Niederlande, durch welche allem Anscheine nach die
Renaissance hier eindringt. Plastische Werke, nannentlich Bronce-
arbeiten, werden um diese Zeit mehrfach von dort bezogen oder
von niederländischen Künstlern ausgeführt. Die Architektur folgte,
und ahmte den Niederlanden jenen schon stark barocken und
dabei trocken ernsthaften Stil nach, der sich alsbald über das
ganze Küstengebiet bis nach den fernsten Punkten der Ostsee-
provinzen verbreitete. Der Backstein wird festgehalten, aber in
allen constructiven Theilen, den Fenster- und Thüreinfassungen,
den Gesirnsen, Pilastern, Giebeln und Krönungen mit Haustein
verbunden. So entsteht jener malerisch wirkende Stil, den wir
schon oben (S. 189 ff.) kurz charakterisirten und dessen Einwirkung
in manchen Gegenden ziemlich tief landeinwärts sich ver-
folgen lasst.
Der Mehrzahl nach handelt es sich in diesem Gebiet um
städtische Bauten, Rathhäuser, Gildenhallen, Zeug- und Kauf-
häuser, Stadtthore und Befestigungen, um bürgerliche Wohnhäuser
sodann, die besonders im Innern den ganzen Reichthurn damaliger
Ausstattung empfangen. Ein besonderer Einfluss niederländischer
Sitte giebt sich in den bedeutenden Stockwerkshöhen zu er-
kennen, welche namentlich den Rathssälen, aber auch im bürger-
lichen Wohnhause den Haupträumen und dem grossen Flur ge-
geben werden, der den Charakter einer hohen luftigen Halle
gewinnt.
Die fürstliche Macht spielt in diesen Gegenden nur eine
zweite Rolle. Doch kommt sie im Gebiete der Herzoge von
Pommern, mehr noch in den Mecklenburgischen Landen in einigen
grossartigen undreich ausgeführten Bauten zum Ausdruck. In
Mecklenburg bildet sich sogar eine besondere Behandlung der
Renaissance aus, die auf künstlerischer Durchbildung des Back-
steinbaues beruht und in zierlich ausgeführten Terrakottenreliefs