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III. Buch.
Renaissance in Deutschland.
zweien und dreien gruppirt, erhalten nämlich die charakteristischen
rechtwinklig verkröpften Rahmen der Renaissance; zugleich aber
werden sie in ein System von Pilastern eingefügt, welche die
ganzen Fagaden in ebenso klarer als lebensvoller Weise gliedern.
Es tritt also hier eine ungewöhnlich starke Aneignung italienischer
Renaissanceformen frühzeitig ein und führt zu einer klassi-
eistisehen Behandlungsweise, die indess noch nichts von der
schulmassigen Nüchternheit der späteren Zeit hat. Damit hängt
zusammen, dass die Reminiscenzen an die Gothik schon früh fast
völlig beseitigt werden. Das rundbogige Portal bildet seine ab-
geschrägten Seitenpfeiler zu Ecknischcn mit Muschelwölbung aus
und ist in allen Theilen reich und zierlich ornamentirt. Das
Datum 1617 ist mit seinem kleinen Schilde ein späterer Zusatz.
Die Pilaster der Facade haben kannelirte Schäfte und theils io-
nische, theils variirte Composita-Kapitäle. An der Ecke gegen
den Markt springt ein diagonal gestellter Erker vor, dessen Krag-
stein mit Zahnschnitten und schlecht verstandenen Eierstäben de-
korirt ist.
Derselben Zeit wird das Haus Brüderstrasse No. 11 ange-
hören. Es zeigt ein ähnlich componirtes Portal, an welchem der
flache Stichbogen als Entlastungsbogen über dem Halbkreis des
Eingangs hübsch motivirt ist. Die reiche Ornamentik, Rosetten,
Akanthus und anderes Laub gehören dem iliessenden Stil der
Frührenaissance. Die Fenster im Erdgeschoss und den beiden
oberen Stockwerken sind in ein System kannelirter ionischer Pi-
laster eingefügt. Im Rahmenwerk der Fenster erkennt man nur
noch schwache Spuren mittelalterlicher Proiilirung. Ganz dieselbe
Behandlungsweise zeigt am Untermarkt der Gasthof zum gol-
denen Baum vom Jahre 1538: die zu zweien gruppirten Fenster
mit demselben Rahmenprofil und den gleichen ionischen Pilastern.
Da das Haus gleich der ganzen Häuserreihe am Markt Arkaden
besass, so hat der Architekt den Spitzbogen derselben sich da-
durch schmackhaft gemacht, dass er in wunderlicher Weise ihn
in gewissen Abständen mit kleinen Voluten, die als Krönung ein
ionisches Kapitäl haben, unterbrach. Mit der stark italienisirenden
und antikisirenden Richtung hängt es vielleicht zusammen, dass
die Görlitzer Facaden, ähnlich den Liegnitzern, fast niemals den
Giebel nach der Strasse kehren. Eine der seltenen Ausnahmen
sieht man am Untermarkt N0. 23, wo die Fenster der beiden
Hauptgeschosse wieder jene streng ionisirenden Pilaster als Um-
rahmung haben, während schwache Voluten den Giebel beleben-
Alle diese Fagaden wiederholen mit geringen Vaüantßn die-
selben Grundzüge. Man erkennt eine architektonische Thätigkeit,