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III. Buch.
Renaissance in Deutschland.
lichen Kreisen als unmittelbare Einwirkung der umfangreichen
Schlossbauten; aber die späteren Zeiten haben gerade hier die
ursprüngliche Kunstform der Facaden meistens verwischt, so
dass fast nur die Portale ihren alten Charakter bewahren. Die
durch eine klare und stattliche Anlage ihres Ringes und der
Hauptstrassen imponirende Stadt hat dadurch viel von ihrem
früheren Gepräge eingebüsst. Auch die Sgraffiten, welche hier
vielfach vorhanden waren, sind fast spurlos verschwunden. Ganz
besonders auffallend ist aber, dass, vielleicht mit Ausnahme eines
einzigen schon stark barocken Beispiels, in Liegnitz die Giebel-
facaden völlig fehlen. Die Hausflure sind wie in Breslau durch-
gängig gewölbt und zwar mit Kreuzgewölben. Eine Ausbildung
des Holzbaues scheint hier noch weniger als dort versucht worden
zu sein.
Von Werken der Frührenaissance ist das Bedeutendste die
Facade am Ring N0. 16; im Erdgeschoss völlig mit Pilastern de-
korirt, alle Flächen mit Ornament überzogen, der Portalbogen
mit Zahnschnitt und Eierstab gegliedert, die Zwickel mit Brust-
bildern belebt, der Fries mit reichen Laubranken geschmückt,
das rein Ornamentale von grosser Mannigfaltigkeit der Erfindung
und Frische der Ausführung, das Figürliche von kindischer Un-
behülflichkeit. Das Werk wird um 1550 entstanden sein. Von
1556 datirt das Portal am Ring N0. 13, ebenfalls Frührenaissance,
mit korinthisirenden Pilastern eingefasst, der Bogen mit männ-
lichen und weiblichen antikisirenden Brustbildern geschmückt,
die Pilaster selbst mit hübschen Reliefmedaillons und gutem
Laubornament. Um so ungeschickter sind in den Bogenzwickeln
Adam und Eva; vollends unglaublich schlecht die wilden Männer,
welche über dem Portal das Wappen halten. Sehr dürftig und
kümmerlich tritt die Renaissance noch 1544 an dem kleinen
Portal Frauenstrasse N0. 9 auf.
Die zweite Hälfte des Jahrhunderts war für Liegnitz wenig
erfreulich. Nach dem Tode des trefflichen Herzogs Friedrichs II
wurde schon durch seinen Sohn und Nachfolger, Friedrich III
das Land in Zerrüttung gestürzt, die dann unter Herzog Hein-
rich XI, wie wir schon durch Schweinichen wissen, nur noch zu-
nahm. Erst gegen Ausgang der Epoche finden wir in LiegnitZ
Wieder Spuren einer zunehmenden Kunstblüthe. Zunächst ist von
1581 das Gymnasium zu erwähnen, das wenigstens durch ein-
fach kräftiges Portal und wirksam umrahmte Fenster einen ge-
wissen monumentalen Charakter zeigt. Mit dem Anfang des
17. Jahrhunderts beginnt eine Nachblüthe der Architektur, welchß
mehrere Werke von ungewöhnlicher Feinheit hervorbringt. S0