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III.
Buch.
I
Renaissance in Deutschland.
Allgemeiner Theil.
Man sieht, welche Städte und Denkmäler damals die Menschen
am meisten beschäftigten, wie vieles Andere ihnen dagegen gleich-
gültig war. Wohl stimmt es damit überein, dass wir auch von
Jerusalem eine in den Hauptpunkten zutreffende Darstellung
finden (Bl. 48), dass aber besonders Constantinopel mit Vorliebe
behandelt ist. Auf Blatt 130 findet sich eine grosse Darstellung
der Stadt, auf welcher die Sophienkirehe mit ihrer Kuppel und
mehreren in der Nähe errichteten Säulen hervorragt. Dieses Bild
ist dann um die Hälfte verkleinert auf Bl. 249 und 214 zweimal
wiederholt. Endlich findet sich auf Bl. 257 eine Darstellung der
alten Monumente, unter denen ausser der Sophienkirche der
Kuppelbau von St. Johann dem Täufer, der kaiserliche Palast
mit seinen Gärten, der Hippodrom mit seinen beiden Obelisken
hervorragen.
Sahen wir in diesem bedeutenden Werk zwar einzelne Keime-
einer neuen Richtung, Spuren des Einiiusses von Italien, aber
noch vielfach gebunden und gehemmt durch mittelalterliche An-
sehauung, wie sie den aus der altern Schule hervorgegangenen
Künstlern eigen War, so tritt nun mit dem Beginn des 16. Jahr-
hunderts eine neue Generation von Künstlern auf den Schauplatz,
welche ihre Anregungen direet aus Italien holt und der Renais-
sance den Eingang in die deutsche Kunst bahnt. Der Augsburger
Schule scheint hier der Zeit nach der Vorrang zu gebühren. Die
zahlreichen Handelsverbindungen mit Oberitalien, namentlich
Venedig, führten von selbst auf diesen Weg; die Lebenslust der
üppigen Kaufmannsstadt begünstigte die Aufnahme dieser heitern
Formenwelt. Hans Burglrmaier, geboren 1472, ist einer der ersten,
welche die Kunst des Südens nach Deutschland verpflanzen, In
der Regel wird von ihm gesagt, er habe seit seinem Aufenthalt
in Venedig 1508 „seine Manier geändert". Allein seine Werke
beweisen, dass er die Renaissance schon vorher gekannt hat, sei
es, dass er schon einmal im Süden war, sei es dass er aus ita-
lienischen Stichen und Gemälden gelernt hatte. Schon auf seinem
mit 1502 bezeichneten Bilde der Lateransbasilika 1) mischen sich
in der Architektur der Halle die Formen des neuen Stiles mit
den gothisehen. Es ist wohl das früheste Auftreten von Re-
naissancemotiven in Deutschland, wenigstens ist mir kein früheres
Denkmal bekannt. Noch entschiedener kommt die neue Kunst-
weiise zum Ausdruck bei dem prächtigen Throne, den wir auf
dem Mittelbilde einer aus defn Katharinenkloster stammenden
Altartafel in der Galerie zu Augsburg vom Jahre 1507 be-
Marggraffs Katalog
der
Augsb.
Gemäldegalerie
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