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XIII.
Die nordöstlichen Binnenländer.
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Indess mögen die Zinnen und das flache Dach als Anzeichen
italienischer Kunst aufgefasst werden; damit stimmt das einzige
Prunkstück der Faeade, das reich mit Ornamenten bedeckte Portal,
das mit seinen dekorirten Pilastern, den Delphinen in den Bogen-
zwickeln, dem Eierstab und Zahnschnittfries, kurz mit seiner
ganzen Anordnung und Ausschmückung der Renaissance ange-
hört. Aber die schwerfällig ausgebauchten korinthischen Kapitale
Zeugen nicht von italienischer Feinheit; noch mehr deutet die
Inschrift „Das Haus steht in Gotes Handt, zur gulden Krone ist
es genant" auf deutsche Arbeit. Ebenso scheint das Steinmetz-
zeichenl) einen deutschen Meister zu Verrathen. Dies Urtheil
findet weitere Bekräftigung im Innern. Zwar der Flur, jetzt
fiachgedeckt, verrath in seiner Dekoration eine spätere Umge-
Staltung; aber der auf den Hof mündende Thorbogen ist mit sei-
ller einfachen Behandlung dem vorderen Portal gleichzeitig. Der
Hof selbst, lang und schmal, ist an der einen Langseite in drei
Geschossen mit Galerieen eingefasst, welche auf stark vorge-
kragten Consolen mittelst Flachbögen aufsetzen. An der Keller-
thür verräth sich nun wieder der deutsche Meister, welcher von
den Traditionen des Mittelalters noch nicht ablassen kann: die
Einfassung wird durch gekreuzte Stäbe in spatgothischer Art ge-
bildet, obwohl das Deckgesims die Formen der Renaissance
zeigt. Völlig gothiseh mit reich durchschneidendem Stabwerk ist
aber die Umrahmung des Pförtchensh welches im ersten Stock
auf die Galerie mündet. Dass italienische Künstler noch 1528
3-11 mittelalterlichen Formen festgehalten hatten, ist undenkbar;
daher werden wir auch für diesen Bau einen deutschen Meister
annehmen müssen.
_ Das Märchen vom Uebertragen der Renaissance durch italie-
nlSGhe Künstler ist also hier ebenso hinfällig wie es sich in
Frankreich als unbegründet erwiesen hat. Damit fallen auch
die Vermuthungen zusammen, welche A. Schultz?) über den Ver-
lauf der Renaissancebewegung in Deutschland aufstellt. Nur aus
dem Ueberblick über das ganze Material, das uns jetzt zu Gebote
steht, lässt sich diese Frage beantworten. Demnach sind wohl
einzelne Bauwerke im Norden von Italienern ausgeführt worden:
S? in Wiener-Neustadt, in Krakau, Prag, Landshut. Für Schle-
Slell werden wir in Brieg ein Denkmal italienischer Kunst fin-
dell- Daraus aber zu folgern, die Renaissance habe zuerst in
1) Abgeb. bei Luchs, Bildende Künstler in Schlesien (Abdr. aus der
Zeitschrift f_ G, 11. Altertn.) Seite 13. 2) In der mehr erwähnten Mono-
graphie Seite 15.