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III.
Buch.
Renaissance in Deutschland.
Lappenblatt gothischer Farren zeigt. Dasselbe Laub bekleidet
die Kapitale, Welche keiner ausgeprägten Renaissance-Ordnung
angehören. Es ist also oiienbai" ein heimischer Bildhauer, der
den neuen Stil nur von ungefähr aus Zeichnungen oder Holz-
schnitten kennen mochte. Ebenso vereinzelt tritt ein Renaissance-
motiv, aber mehr ein bildnerisches als architektonisches, an einem
andren Denkmal derselben Kirche auf: dem an der Südseite be-
findlichen Epitaph des Hans Scholtz, "l" 15051) Das recht gute
Relief der Verkündigung sowie die gothische Einfassung verrathen
einen Künstler, der in den Geleisen der heimischen Tradition
wandelt: aber die beiden Engelknaben in dem Schweifbogen
schmecken nach Einflüssen der Renaissance. Das nächste Datum,
das uns begegnet, ist das oben mitgetheilte Wappen aus Johannis-
berg von 1509: auch hier noch ein Gemisch beider Stile, aber
doch ein viel stärkeres Anklingen der neuen Kunstweise.
Aus dem folgenden Jahr 1510 datirt ein grosses trefiiiches
Epitaph an der Südseite der Magdalenenkirche, welches
Christus am Kreuz mit Maria und Johannes, S. Andreas und
Barbara, darunter eine zahlreiche Familie knieend darstellt. Die
Einfassung wird durch kandelaberartig-e Saulchen gebildet, welche
noch unsicher die Sprache der Renaissance zu reden versuchen.
Auch die beiden Engelputti in den Bogenzwickeln gehören der
neuen Auffassung an. Ebenso unklar und spielend ist der italie-
nische Stil mit gothischem Laubwerk gemischt an dem kolossalen
Zinnkrug von 1511 im Alterthums-Museum, Welcher sammt
dem älteren gothischen, von A. Schultz veröffentlichten, zu den
grössten Prachtstücken dieser Art zahlt. Dies interessante Werk
beweist, dass auch das Kunstgewerbe, gegen seine sonstige Ge-
wohnheit des zähen Haftens am Ueberlieferten, merkwürdig früh
hier die neue Richtung einzuschlagen versuchte.
Alle diese Werke sind sichtlich Schöpfungen deutscher, wahr-
scheinlich in Breslau ansässiger Künstler. Die Einführung der
Renaissance in Schlesien ist also einheimischen Meistern zu ver-
danken. Aber so unklar tastend, so sehwankend und gemischt
der Stil hier auftrat, vermochte er unmöglich die Herrschaft zu
erobern. Dazu gehörten vollendetere, aus tieferer Kenntniss der
neuen Bauweise hervorgegangene Leistungen. Eine solche tritt
uns hier zuerst in dem Portal entgegen, welches aus dem süd-
liehen Chorumgang des Domes in die Sakristei führt und die
Jahreszahl 1517 tragt. Nach dem Muster oberitalienischer Por-
L
Luchs,
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