Kap. XII.
österreichischen Länder.
Die
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schönes Gitter von 1560 an dem Ziehbrunnen auf dem Kleinen
Ring. Aus den trefflich gearbeiteten Sehnörkeln entwickeln sich
Eichblätter und Eicheln, sowie vergoldete Figürchen. Auch in
der Thür eines Privathauses an demselben Platze ein schönes
Eisengitter. Zum Hcrrlichsten gehört aber das Gitter, welches
im Dom das Grabmal Karls IV umgiebt. 1) Im Uebrigen hat die
gute Renaissancezeit in Prag wenig Spuren hinterlassen. Nur
auf dem Rossmarkt ist mir ein hohes Giebelhaus, jedoch ohne
feinere Durchbildung, aufgefallen.
Dagegen steht am Ausgang der Epoche der Palast Wald-
Stein, 1629 von dem grossen Wallenstein erbaut. Die Facade
zeigt den etwas trocknen italienischen Palaststil der Zeit, mit
einigen barocken Elementen, besonders in geschweiften Volutcn
Versetzt. Der ungefähr quadratische Hof ist ähnlich behandelt;
311 der Eingangsseite und dem gegenüberliegenden Flügel mit
drei Reihen von Halbsäulen dekorirt, und zwar in dorischcr,
toskanischer und ionischer Ordnung. An den beiden andern Sei-
ten fehlen diese Ordnungen in wohlberechneter Absicht, um eine
Steigerung für die Hauptfacaden zu ermöglichen. Sämmtliche
Fenster sind im Rundbogen geschlossen, die Bögen von Gesim-
S811 begleitet, welche an den-Seiten mit verkröpften Rahmen ver-
bunden sind. Nur im Erdgeschoss zeigen -die Fenster geraden
Sturz und schöne Eisengitter. Im Innern ist der grosse Saal
bemerkenswerth, der im Vorderhause zwei Geschosse einnimmt,
VOII einem Spiegelgewölbe mit Stichkappen bedeckt. Die Deko-
Tation, unter welcher ein grosser Kamin hervorragt, ist in derbern
Barockstil gehalten. Neben der sehr bequem ansteigenden Treppe
fehlt nicht die Palastkapelle, sehr klein aber ungemein hoch, mit
einer Empore und reicher Dekoration in Stuck und Malerei.
Alles dies ist künstlerisch keineswegs hervorragend. Dagegen
gehört die gigantische Halle (Fig. 177), welche an der Rück-
seite des Palastes sich gegen den Garten mit seinen herrlichen
Lallbmassen und Baumgruppen öffnet, zu den gewaltigsten Schö-
pfungen der Zeit; ja ich wüsste weder diesseits noch jenseits
der Alpen, wenn man etwa die in ganz anderem Sinn und in
anderer Zeit errichtete Loggia de' Lanzi ausnimmt, eine andere
Halle, die an vornehmerMajestät sich mit diesem Werke messen
könnte. Der Bau kommt der Höhe des ganzen Palastes gleich,
1st an den Seiten mit Mauern und kräftigen Stirnpfeilern ein-
geßehlossen und öffnet sich nach vorn auf gekuppelten Säulen
mit Bögen von gewaltiger Höhe und Weite. Die Dekoration ist
Lm.
Mitth. d. Centr. Comm. XV.
Kugler, Gesch. d. Baukunst. V.
1870.