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Buch.
III.
Renaissance in Deutschland.
druck des Ganzen und verleiht demselben das Gepräge klassischer
Ruhe. Auch darin zeigt sich ein durchgreifender Unterschied,
dass in Stuttgart die Aufgänge zum oberen Geschoss als Frei-
treppen aussen angebracht waren, wodurch der ganze obere
Raum als grossartiger Saal sich gestaltete, während beim Bel-
vedere die Treppe (die übrigens in neuerer Zeit umgestaltet
worden) im Innern angebracht war und zwar so, dass auf der
einen Seite ein gesondertes Gemach, auf der andern der grössere
Saal angeordnet wurde. Dadurch musste letzterer in seiner Längen-
ausdehnung beträchtlich eingeschränkt werden.
Die Formen sind am ganzen Bau von einer Durchbildung,
die Verhältnisse von einer Anmuth, wie sie nur die italienische
Renaissance in ihren vollendetsten Schöpfungen erreicht. Die
umgebende Halle bildet eine Art Peripteros von 6 zu 14 schlanken
Säulen einer reichen ionischen Ordnung, an deren Kapitälen die
Embleme des goldenen Vliesses zu geistvoller Verwendung ge-
kommen sind. Auch die Stylobate der Säulen haben Reliefs,
welche mit einer ferneren Anspielung auf jenes Ordensemblem
ihre Gegenstände der Argonautensage entlehnen. Eine geschlossene
Brüstungsmauer, nur vor den Eingängen durchbrochen, verbindet
dieselben, in der Mitte jedes Intercolumniums durch einen mit
Putten geschmückten Pilaster getheilt. Auch in den Bogenzwickeln
sind antike Reliefscenen dargestellt, im Fries endlich die herr-
lichsten Akanthusranken angebracht. Dies Alles ist in fein-
körnigem Sandstein mit einer Zartheit und Vollendung aus-
gearbeitet, wie man sie sonst nur in den Marmorbauten Italiens
findet. Dazu kommt, dass alle architektonischen Glieder im
Geist der edelsten italienischen Hochrenaissance wie von Bra-
mante oder Peruzzi durchgebildet sind. Das gilt namentlich
auch von den eleganten Consolen, auf welchen die Gesimse der
Fenster und Thüren ruhen, sowie von dem durchbrochenen Gitter
der oberen Terrasse, einem Virtuosenstück des Meissels. Im
Uebrigen ist das obere Geschoss einfacher behandelt, was nicht
einer späteren Entstehung, wie man wohl geglaubt hat, zu-
geschrieben, sondern als wohlberechtigte künstlerische Absicht
erkannt werden muss, da die Säulenhalle des unteren Geschosses
den ganzen Nachdruck der architektonischen Conception erschöpft,
und die mit schlichten Fenstern und Nischen in dorischem Stil
belebte Oberwand sich dem Auge fast völlig entzieht. Interessant
sind als Werke deutscher Kunst die schönen Eisenarbeiten der
Wasserspeier. Im Innern zeigen die unteren Säle flache Spiegel-
gewölbe, deren Zwickel auf äusserst eleganten Consolen ruhen..
Der Saal des oberen Geschosses hat dagegen ein Tonnengewölbe