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III. Buch.
Renaissance in Deutschland.
den zahlreichen kirchlichen und profanen Thurmbauten mit ihren
Spitzen aus. Unter Georg Podiebrad (1458 bis 1471) erholte sich
das Land allmählich von seinen Leiden, und sein Nachfolger
Wladislav, mit dem Beinamen der Gute (1471 bis 1516) Weiss
die öfter ausbrechenden Unruhen mit glücklicher Hand zu dämpfen
und dem Lande dauernde Ruhe zurück zu geben. Obwohl er
auch die ungarische Krone erlangte und dadurch veranlasst wurde
seine Residenz nach Ofen zu verlegen, unterliess er doch nicht
in Böhmen zahlreiche Bauten auszuführen, wie sie durch den
Zustand des Landes erfordert wurden. Denn noch lagen nicht
blos die meisten Kirchen, Klöster und Burgen, sondern selbst
ganze Städte wie Kuttenberg, Beneschau, Aussig, Prachatiz in
Ruinen, so dass eine Fülle von Aufgaben der Wiederherstellung
und des Neubaues sich drängten. So begann eine rege Bau-
thätigkeit, bei welcher ein einheimischer Meister Benedikt (Benesch)
von Laun die rechte Hand des Königs gewesen zu sein scheint. 1)
Benedikt war oifenlJar ein begabter vielerfahrener Künstler.
Noch in gothischer Schule aufgewachsen, handhabt er nicht blos
in seinen zahlreichen Kirchenbauten den spittgothischen Stil mit
Freiheit und Anmuth, sondern- legt ihn auch seinen Profanwerken
zu Grunde, nicht ohne gewisse Formen der Renaissance ein-
zumischen. Solche finden sich am Krönungssaal des Hradschin,
und wie es scheint auch im Rittersaal der Burg Pürglitz bei
Rakonitz, welche ebenfalls unter Wladislav erbaut wurde. Durch
Meister Benedikts Vorgang wird also die Renaissance in Böhmen
eingeführt, und zwar in jener naiven Mischung mit den Formen
des Mittelalters, wie sie die meisten Provinzen Deutschlands
zeigen, während die österreichischen Gebiete sie kaum anderswo '
kennen.
In der. Selbständigkeit, mit welcher hier die verschiedenen
künstlerischen Elemente der Zeit einander zu einem eigenthüm-
lichen Stile durchdringen, dürfen wir wohl eine Einwirkung des
durch den Hussitismus gesteigerten geistigen Lebens erkennen.
Als unter Ferdinand I Böhmen und Ungarn mit Oesterreich ver-
bunden wurden, begann für diese Länder die gleiche Reihen-
folge schwerer Verhangnisse, welche im gesammten Habsburgi-
schen Länderbesitz alles höhere geistige Leben erstickten. Wie
nach der Schlacht am Weissen Berge grade in Böhmen die
Freiheit des religiösen Bekenntnisses in Strömen Bluts ersäuft
und durch das liebevolle Bündniss von Staat und Kirche, von
Ueben" diesen Meister vgl. den Aufsatz
Zeltschr. des Böhm. Arehit-Vereins.
VOD
Grueber
in
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