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III. Buch.
in Deutschland.
Renaissance
Theil.
Allgemeiner
den Malern und Bildhauern, in Gemälden, Holzschnitten, Kupfer-
stichen, in Grabmälern und anderen plastischen Werken sich
reich entfalten sehen, während die architektonischen Schöpfungen
des neuen Stiles erst gegen die Mitte des Jahrhunderts ihren
Anfang nehmen?
Unter den Kunstwerken dieser Epoche ist vielleicht keins,
das den Uebergang aus der alten in die neue Zeit so vielseitig
veranschaulicht, wie die Chronik von Hartmann Sehedel vom
Jahre 1493. Sie ist nicht blos eins der kostbarsten Druckwerke
der Zeit, bietet in ihrem Texte nicht blos die merkwürdigsten
Aufschlüsse über die Anschauungen derselben, sondern gewährt
namentlich in dem unabsehbaren Reichthum ihrer von Michael
Wohlgemuth und Michael Pleidenwurf entworfenen Holzschnitt-
lllustrationen einen Maassstab für die Anforderungen und die
Leistungen der zeichnenden Kunst. Während die figürlichen
Darstellungen sich in dem von der iiandrisehen Schule ausge-
gangenen Realismus der Auffassung bewegen, hält sich das Or-
namentale noch ganz innerhalb der Grenze des gothischen Stiles,
und nur einmal, gleich auf dem ersten Blatte mit der imposanten
Darstellung des thronenden Salvators, erkennen wir in den muth-
willigen Kinderfigürchen, welche das gothisch gezeichnete Laub-
werk der Umrahmung anmuthig durchbrechen, die Einiiüsse- der
Renaissance. Es sind ächte italienische Putti.
Am wichtigsten für uns sind aber die vielen Städtebilder, mit
welchen das Werk geschmückt ist. Schon in dem Streben nach
geographischer und topographischer Darstellung, welche sich hier
mit der Geschichtserzählung verbindet, spricht sich der wissenschaft-
liche Sinn der Zeit unverkennbar aus; in der Auffassung und
Ausführung dagegen liegen das Mittelalter und die neue Zeit im
Kampfe. Zunächst ist anzumerken, dass die gothischen Formen
zwar oft angedeutet, aber niemals streng durchgeführt, niemals
mit dem Spitzbogen charakterisirt sind. Dies trifft mit dem zu-
sammen, was wir schon als hervortretende Eigenthümliehkeit bei
den Gemälden der flandrischen Schule erkannt haben. In der
That ist mit grosser Consequenz an Portalen und Fenstern, an
den Schallöifnungen der Thürnie und den Friesen und Gesimsen
der Halbkreis aufgenommen, und selbst da, wo die grossen
mehrtheiligen Fenster bestimmt auf den gothischen Stil weisen,
ist doch der Rundbogen gewählt. Eine Sitte, die zur festgestellten
Norm geworden ist und sich selbst noch bis in die viel genaueren
Darstellungen eines Merian, also bis in die Mitte des 17. Jahr-
hunderts, verfolgen lässt. In der Vorliebe für den Rundbogen
begegnet sich also der Norden mit der Renaissance des Südens.