Kap-
Anfänge
deutscher
Renaissance bei Malern und Bildhauern.
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und architektonischen Umgebung lebensvoll hinzustellen, sie aus
der schablonenhaften Form und vom Goldgrunde des Mittelalters
Zu befreien, ist ein ebenso kühner Bruch wie die That eines
Brunellesco, Ghiberti, Donatello es irgend war. Ging (10011 das
ganze Streben der Zeit dahin, aus dem traumhaften Idealismus
und der dürren Scholastik des Mittelalters zur Wahrheit, 'zu
lebensvoller Weltxrirklichkeit durchzudringen. Hier war es die
Natur, dort in erster Linie die Antike, aus der die Kunst sich
Veljüngen sollte.
Wie diese Natur-Wahrheit im Norden sich mit reissendcr
Sehnelligkeit zunächst in der Malerei und Plastik verbreitete,
aus der flandrischen Schule bald über alle Gebiete Deutschlands
dr 311g, musste die neue Kunst in scharfen Contrast mit der ab-
gelebtcn gothischen Architektur treten. Diese war völlig in den
Dienst eines handwerklichen Schematismus gekommen und gefiel
sich, von den Händen wackerer aber etwas spiessbürgerlicher
Werkmeister gepflegt, in technischen, namentlich eonstructiven
Bfavourstüelaen, wie z. B. dem Thurmhelm des Strassburger
Münsters, oder in Spielereien mit monoton hergeleierten Mass-
Werkformen. Man musste bald überall fühlen, dass dieser Stil
hinter den Forderungen, welche die neue Zeit aufstellte, unrettbar
zurückgeblieben sei. Zwar fristete er noch über ein Jahrhundert
Sein Dasein, denn nichts klebt so zäh am Althergebrachten, als
das in der Routine ergraute Handwerk. Wir können uns daher
nicht wundern, wenn wir bis ins 16. Jahrhundert den gethiSßhell
Stil in Deutschland herrschend finden, ja, wenn er in manchen
Einzelheiten sich sogar noch bis ins 17. Jahrhundert zu erhalten
Weiss. Aber ebenso begreiflich ist es auch, dass bei den zahl-
reichen Berührungen Deutschlands mit Italien, den Kriegszügcn
der Kaiser, den Handelsverbindungen, den wissenschaftlichen
Beziehungen, die dort so glänzend entfaltete neue Baukunst bald
auf Deutschlaiid zu wirken begann. Es hatte sogar viel früher
geschehen müssen, wenn die Bewegung in den künstlerischen
Kreisen nicht an den politischen und religiösen Verhältnissen ein
Gegengewicht gefunden hatte. Denn dass die bildende Kunst
seit van Eyck mit der Gothik auf gespanntem Fusse stand, lasst
Sich leicht aus den zahlreichen Gemälden der Zeit erkennen.
Qbwohl die Maler in ihren architektonischen Beiwerken und
Hintergründen im Allgemeinen die gothischen Formen nicht ver-
schmahen, scheint doch der Spitzbogen ihnen unbequem zu sein,
denn fast ohne Ausnahme gebrauchen sie an seiner Stelle den
Rllndbogen. Ist es nun ein Wunder, dass wir die Renaissance
in Deutschland etwa seit dem Anfang des 16. Jahrhunderts bei