Kap. XII.
Die
österreichischen Länder.
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Um so auffallender sticht dagegen die Aermlichkeit der Re-
naissancemonumente ab. Wohl wvaren es Zeiten, die auch für
Wien mancherlei Unruhe und Gefahr im Schoosse trugen. Nach
Maximilians I Tode betheiligte sich die Stadt lebhaft an der Em-
pörung gegen die Regierung seines Nachfolgers; doch wurde der
Aufstand schon 1522 durch Gefangennahme und Hinrichtung der
Rädelsführer niedergeschlagen. 1) Gleich darauf führte die Hin-
neigung zur Reformation zu jenen Verfolgungen und Ketzer-
verbrennungen, von denen schon oben die Rede war. Anderer-
seits drohten wiederholt die Einfälle der Türken, die 1529 durch
Zapolya's Verrath nach Ungarn gelockt, Oesterreich und Steier-
mark überzogen, aber durch den Heldenmuth der kleinen Be-
satzung von Wien zurückgetrieben wurden. Dieitapferen Bewoh-
ner hatten damals ihre Vorstädte selbst zerstört und mit deren
Holzwerk die Basteien befestigt. Die neue Türkengefahr 1532
wurde zwar durch Pfalzgraf Friedrich rasch zurückgeschlagen;
aber 1541 raffte die Pest den dritten Theil der Einwohner hin. 2)
Zugleich steigerte sich der Kampf gegen die Anhänger der Re-
formation, ja 1551 wurden die ersten Jesuiten nach Wien berufen,
um der allgemeinen Bewegung nachdrücklicher entgegenzutreten.
Zur selben Zeit ward die menschenfreundliche Verordnung erlassen,
dass alle Juden zur Unterscheidung einen gelben Tuchlappen am
Oberkleid auf der linken Brust tragen sollten. 3) Wenige Jahre
später suchte man sie gänzlich zu vertreiben, ohne, jedoch damit
völlig durchzudringen. Mildere Zeiten kamen erst seit 1556; aber
bald darauf drohte durch Suleiman gewaltiger als je zuvor ein
neuer Einfall der Türken, durch Zriny's Heldentod aufgehalten,
und durch des Grossherrn Fall vor Szigeth vereitelt. Endlich ist
1570 das abermalige Auftreten der Pest, 1596 wiederum ein
drohender Türkeneinfall zu verzeichnen. Aber alle diese Gefah-
ren und Unruhen sind doch nicht ausreichend, um den Mangel
an Denkmälern dieser Epoche zu erklären. Wohl mag die letzte
Türkenbelagerung vom Jahre 1683 in den Vorstädten manches
Werthvolle zerstört haben; namentlich werden die Häuser und
Gärten des Adels, von denen noch Merian uns Abbildungen über-
liefert hatf) damals zu Grunde gegangen sein; dass aber in der
inneren Stadt so Weniges erhalten ist, wird man grösstentheils
aus der gewaltigen Bauthatigkeit zu erklären haben, welche seit
dem Ausgang des 17. Jahrhunderts ganz Wien umzugestalten
begann.
L
1) Tschischka, a. a. O. S. 284.
Ü Topogr. German. Tom. X.
Kugler, Gesch. d. Bank. V.
2) Ebenda. S.
299.
3) Ebenda S. 311.
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