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III. Buch.
Renaissance in Deutschland.
hochbegabte Volk der römischen Fremdherrschaft und der geister-
mordenden Diseiplin der Jesuiten überlieferte. In dem Wahne
nur durch innige Verbindung mit der Kirche ihre Hausmacht zu
stärken und die Herrschaft über das lose verbundene Völker-
aggregat zu befestigen, opferten die Habsburger das geistige
Leben und die materielle Blüthe ihres Volkes. An der Spitze
von Dragonerabtheilungen rückten die bischöflichen Commissare
in die einzelnen Ortschaften ein, die Bevölkerungen gewaltsam
in den Sehoos der Kirche zurückzuführen. Mit Kärnthen, Steier-
mark und Krain wurde der Anfang gemacht; Böhmen und Oester-
reich folgten. Die protestantischen Prediger wurden vertrieben,
die ketzerischen Bücher verbrannt, die lutherischen Kirchen und
Pfarrhäuser niedergerissen, selbst ihre Friedhöfe vandaliseh ver-
wüstet. Verbannung und Koniiskation traf die, welche sich nicht
fügten. So kam die katholische Kirche wieder zur Alleinherr-
schaft, aber die blühenden Länder waren verödet. Aus Böhmen
allein wanderten an 36,000 Familien, darunter 1088 aus dem
Herrn- und Ritterstande, auch zahlreiche Künstler, Kaufleute und
Handwerker aus und liessen sich in Sachsen, Brandenburg und
andern protestantischen Ländern nieder.
Die Heftigkeit dieser Verfolgungen bezeugt vor Allem den
gewaltigen reformatorischen Umschwung, welchen damals ganz
Oesterreich genommen hatte. Wenn man den heutigen Zustand
dieser Länder betrachtet, so kann man sich nicht genug ver-
wundern, wie allgemein damals der Protestantismus dort ver-
breitet war. Wurde 1543 noch ein Edikt veröifentlicht, welches
alle Buchdrucker und Buchhändler, die ketzerische Bücher ver-
breiteten, zu ersäufen, die Bücher aber zu verbrennen befahl;1)
ernannte man schon vorher ein Ketzergericht aus zwölf Mit-
gliedern der Hochschule, an deren Spitze der Bischof Johann von
Revellis stand, so hatte doch bald darauf in Wien und dem tibrigen
Oesterreich die Sache der Reformation solche Kraft erlangt, dass
man den Lutheranern die Minoriten-Kirche und die Landhaus-
kapelle in der Hauptstadt einräumen musste. 2) Ja als in Karnthen
1596 die seit dreissig Jahren unterbliebene Frohnleichnamspro-
cession zuerst in St. Veit wieder abgehalten wurde," entstand in
dem protestantisch gewordenem Volke ein Auiiauf, vor welchem
der Priester mit dem Venerabile sich nur mit Mühe retten konnte. 3)
Ebenso erging es in Villach 1594 dem Patriarchen von Aquileja,
als er den Katholizismus wiederherzustellen versuchteß) Hier
L
1) Tschischka,
a. 0. 11, 209.
a. a. O. S. 311.
4) Ebenda II, 210.
Ebenda
312.
H. Hermann,