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III.
Buch.
Renaissance in Deutschland.
tektonische Signatur aufgedrückt haben. Man darf sagen, dass
in den pompösen, oft majestätisch angelegten und mit allen
Mitteln ausgelassener Dekoration schweigenden Bauten jener
Epoche der" Sieg über den Protestantismus sich mit heraus-
forderndem Selbstgefühl breit macht.
Was zwischen jenen beiden Epochen, zwischen Mittelalter
und Barockzeit liegt, die eigentliche Periode unserer Renaissance,
ist trotz mancher vorzüglicher Schöpfungen, ja einzelner Haupt-
werke seltenen künstlerischen Werthes, doch gegenüber den
Leistungen andrer deutscher Provinzen kaum in Anschlag; zu
bringen. Vergleicht man vollends den grossen Umfang und den
Reichthum dieser Lander, die hohe bildnerische Begabung ihrer
Volksstamme, den von Alters her regen Sinn für künstlerisches
Schaffen und heitere Pracht des Daseins, so wird man mit
Erstaunen und Widerstreben eine Thatsache aufnehmen, die mit
alledem so scharf eontrastiit und doch auf Schritt und Tritt dem
Forscher sich aufdrängt. In der That, trotz so mancher glänzen-
der Einzelschöpfung muss es ausgesprochen werden, dass die
Renaissance auf diesem Boden mehr wie eine durch die Gunst
der Grossen hieher verpflanzte, als wie eine vom ganzen Volke
gehegte und gepflegte, mit dem eigenen Herzblut genahrte
Schöpfung sich zu erkennen giebt.
Dies ist um so merkwürdiger, als in keiner deutschen Provinz
die Formen der Renaissance so früh zu monumentaler Verwen-
dung gelangen, wie gerade in Oesterreich. Wir treifen sie hier
vereinzelt, was sonst kaum irgend in Deutschland vorkommt, schon
im Ausgang des 15. Jahrhunderts. Vom Jahre 1497 datirt ein
kleines Portal mit dem Wappen der Familie Edelsperger im
Tirnaschen Haus, auch Federlhof genannt, zu Wienß) Im
Wladislawsaal des Hradschin zu Prag kommt an den ausgebil-
deten Renaissancefenstern sogar die Jahrzahl 1493 von?) Das
prächtige Portal der Artilleriekaserne in Wienerneustadt datirt
von 1524, die Jagellonische Kapelle im Dom zu Krakau von
1520,3) ein Renaissanceportal in der Kirche zu Klausenburg hat
die Jahrzahl 15284) Alle diese Denkmale, selbst den frühesten
im übrigen Deutschland in der Zeit vorausgehend, beweisen, dass
die Renaissance Italiens an den verschiedensten Orten in Oester-
reich schon früh zur Anwendung gekommen war. Wie ist es nun
Abb. in den Mitth. der Centn-Comm. 1868. p. CXI. Flg. 7 nach
dem Jahrb. des Wiener Alterth-Ver. 2) F. Mertens, Prag; und seine
Baukunst in Förstefs Allg. Bauzeit. 1845. p. 15 ff. mit Abb. 3) Essen-
wein, Krakau, Taf. XXI. Mitth. d. Centn-Comm. 1865.