Kap. XI.
Baiern.
München.
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seiner reichen etwas barocken Umrahmung sich zwischen den
beiden abgeschnittenen Giebelstücken des Oberbaues erhebt. Letz-
tere sind mit den liegenden Statuen der Regenten-Tugenden, zwei
an jedem Portale, geschmückt. Alles Figürliche ist von Bronze,
auch die beiden prachtvollen Löwen, welche vor jedem Portale
Wacht halten und ein Wappen mit allegorischer Devise neben
sich haben. Diese Bronzewerke wie die im Innern der Höfe Sillfl
von dem geschickten Hans Krumper meisterlich gegossen.
Der ernsten Pracht dieser Portale entspricht die grossartige
lllarniornische, welche in Mitten der Faeade die Erzfigur der
Madonna als der Schutzpatronin Baierns enthält (Fig. 145). Hier
ist besonders das Decorative von hoher Feinheit, namentlich die
köstliche Bronzelaterne am Unterbau und die aus Engelköpfchen
mit Laubgewinden originell und geistvoll componirten Kapitale
der Pilaster. Man fühlt sich überrascht, in dieser Epoche noch
so viel Sinn für liebevolle Durchbildung- des Einzelnen anzutref-
fen. Noch umfangreicher wurde die Plastik bei dem glänzenden
Springbrunnen des Brunnenhofes verwendet, der eins der prach-
tigsten Werke der Zeit ist, ebenso reich in der Anlatge und dem
Aufbau wie gediegen in der Durchbildung. Alle drei Künste
endlich wirkten bei dem kleinen Grottenhofe zusammen, der
mit seiner kühlen Grotte, mit den Muschel-Incrustationen der
Wände und den Gemälden der gewölbten Decke, mit der oifnen
Säulenhalle, Welche die Hauptseite einschliesst, mit dem von
Statuen belebten Rasen und Gebüsch, endlich der wohlabgewoge-
nen fein abgestuften Architektur seiner Umfassungswande ein
wahres Juwel künstlerischer Conception und poetischer Wir-
kung ist.
Die Absicht des Architekten bei dem grossartigen Bau ist
aber offenbar dahin gegangen, die Hauptwirkungen sich für das
Innere zu versparen. Zunächst ist schon das Kaiservestibül,
in welches man vom Hofgarten aus freien Zutritt hat, eben so
vornehm in der Anlage, wie schön in der Ausschmückung. Der
imposante Raum von etwa 50 Fuss Breite bei circa 68 Fuss Tiefe
wird von neun Kreuzgewölben bedeckt, die auf vier gewaltigen
dorischen Säulen von rothem Marmor ruhen. Die hohen Gewölbe
zeigen geistreich gemalte Ornamente auf weissem Grunde im
Charakter der bekannten antiken Wandmalerei. Das leichte Phan-
tasiegerüst der Architektur ist in der Mitte durchbrochen, so dass
sich ein Blick in den blauen Aether zu öffnen scheint. Das mitt-
lere Gewölbe hat eine reichere perspektivisch gemalte Architek-
tur, die in den Ecken von bronzefarbenen Hermen aufsteigt.
Wendet man sich von diesem im köstlichsten Geiste des klassi-