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Buch.
III.
Deutschland.
Renaissance in
durchgeführt: beim perspektivischen Längenblick trotz der Ein-
fachheit durch die grandiosen Verhältnisse und die wirksamen
Verkürzungen ein energischer Effect; auf feineren Reiz des Ein-
zelnen ist mit gutem Bedacht verzichtet.
Im Innern hat der Architekt vor Allem durch grossartige
Verhältnisse zu wirken gesucht. Die Corridore, welche in den
oberen Geschossen die Räume verbinden, zeigen reiche Stuck-
decken mit vegetativen und figürlichen Ornamenten. Im zweiten
Stock sieht man eine ausgedehnte Darstellung des Gesellen-
stechens von 1446, von Hans Kern 1621 in Stuck ausgeführt.
Dieser Gang ist an der innern Langseite abwechselnd durch
Kamine und Portale zu einem Prachtstück architektonischer De-
coration gestaltet. Im Sinne der Zeit hat man dabei Atlanten
sowie liegende Figuren in Michelangeleskem Stil nicht gespart.
Besonders schön ist hier ein kleiner Saal mit eingelegten Thüren
und gcschnitzter Holzdecke, deren Rahmen für einzulassende
Bilder bestimmt sind.
An dem grossen Rathssaal haben sich verschiedene Epochen
betheiligt. Seine Anlage stammt noch aus gothischer Zeit; ihr
gehören die spitzbogigen Fenster und das grosse Hauptportal in
der Mitte der inneren Langseite mit Maasswerken in der Krö-
nung. Hübsch gemalte Engel halten einen Schild, auf welchem
man liest: „Anno domini 1340 ist diss Rathauss anfiing-klieh ge-
bawt vnd in 1521 wie auch hernacher im Jar 1613 diesergestalt
wiederumben vernewert worden." Der Saal macht bei der ge-
waltigen Länge von etwa 140 Fuss und 36 Fuss Breite einen
höchst imposanten Eindruck. Seine Decke bildet ein hölzernes
Tonnengewölbe mit trefflicher Gliederung. Eine schlichte Holz-
täfelung bekleidet den unteren Theil der Wände. Dann folgt eine
perspektivisch gemalte Bogenstellung, die mit ihren farbigen
Fruchtgewinden auf dem hellen ätherblauen Grunde von grosser
Wirkung ist: einer jener decorativen Gedanken der guten Re-
naissancezeit. Ueber diesen Arkaden sind dann die grossen
Wandgemälde angebracht, an deren Erfindung zum Theil selbst
Albrecht Dürer mitwirkte: rechts sein Triumphwagen Kaiser
Maximilians, in der Mitte eine Tribüne mit dem lebensvollen
Bilde der spielenden Musikanten, links die bekannte alleg-orische
Darstellung der Verleumdung, die den Richter (Midas) mit aller-
lei Listen irre zu machen sucht. Das westliche Ende des Saales
war ehemals durch das Bronzegittei- Peter Vischers abgeschlos-
sen, welches die Nürnberger erst in unserm Jahrhundert ab-
reissen und als altes Metall verkaufen liessen, damit die Reihe
der Beraubungen und Zerstörungen ihrer alten Denkmäler ein-