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Buch.
III.
Renaissance in Deutschland.
solche Universalität darin aufzuweisen; keine hat aber auch so
früh Monumentalwerke der Renaissance von hervorragendem
Werthe entstehen sehen. Michael Wohlgemuth (1434-1519) und
Adam Krafft (bis 1507), ja selbst Veit Stoss (bis 1533) gehören
noch der mittelalterlichen Kunst an, mit der sie wohl den nor-
dischen Realismus, nicht aber die italienische Renaissance ver-
schmelzen. Dürer ist es, der zuerst hier die antiken Formen an-
wendet (vergl. S. 71 ff); dann aber bricht Peter Vischer durch
sein herrliches Sebaldusgrab (seit 1508) dem neuen Stil Bahn,
der hier einen glanzvollen Beweis seiner höheren Schönheit und
freieren Anmuth liefert. In Gemälden wie inplastischen Werken,
in Kupferstichen wie in Holzschnitten tritt derselbe nun hervor,
und seit 1530 etwa können wir ihn auch in architektonischen
Schöpfungen nachweisen. Es ist der Privatbau hochgebildeter
Patrizier, der den Anfang macht. Die zahlreichen Handels-
beziehungen zu Venedig haben offenbar auch hier den Impuls
gegeben. Mit den Privatbauten ist daher zu beginnen.
Wenn irgend eine Stadt in dieser Epoche einen ausgeprägten
Charakter im Privatbau erreicht hat, so ist es Nürnberg. Man
kann nicht sagen, dass sich diese Werke im Ganzen durch höchste
Feinheit auszeichnen, dass sie jene plastische Pragnanz und geist-
volle Lebendigkeit athmen, wie etwa der Ottoheinrichsbau von
Heidelberg oder die besten Monumente in Schwaben und im
unteren Franken. Schon das Material scheint eine feinere Durch-
bildung verwehrt zu haben. Aber eine machtvolle Gediegenheit
der Composition, eine energische Strenge der Behandlung sind
den Nürnberger Werken eigen. Im Aufriss haben die Facaden
der Bürgerhäuser die gemeinsame deutsche Tendenz eines impo-
santen Hochbaues, und der kolossale Giebel bildet hier wie über-
all den Stolz der Architektur. Auch ist die Anlage der reicheren
Bürgerhäuser breiter als wir sie sonst zu finden gewohnt sind,
so dass diese Facaden schon an Masse einen mächtigen Eindruck
machen. Dazu kommt aber ihre reiche Belebung durch Erker
von mannigfaltiger Anlage, ihre consequente Gliederung durch
Systeme von Pilasterordnungen mit Gebälk und Gesimsen, die
sich auch an den hohen Giebeln fortsetzen. "So entsteht rhyth-
mische Durchbildung, verbunden mit malerischer"Mannigfaltigkeit.
Eins der vollkommensten Beispiele solcher Facaden bietet Fig. 124
im Pellerhause; einen Giebelhaben wir auf S. 183 abgebildet.
Wo nun aber, was nicht selten vorkommt, die Häuser nicht
ihren Giebel, sondern ihre Langseite gegen die Strasse kehren,
da wird in einer gerade für Nürnberg höchst bezeichnenden Weise
die Seitenilache des hohen Daches durch Vorgesetzte Erker be-