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III.
Buch
Renaissance in
Deutschland.
Allgemeiner
Theil.
greifen. Dennoch liegt in alledem mehr eine Rohheit der Sitten,
aus ungezügelter Naturkraft hervorgegangen, während Frankreich
und Italien schon lange das Bild rattinirter Lasterhaftigkeit dar-
bieten. Auch wird von den Zeitgenossen nicht verhehlt, wiesehr
die Spanier zum Verderb der Sitten beigetragen haben. 1) Doppelt
wohlthuend ist es, wenn man daneben doch auch Beispiele weib-
licher Sitte und Tugend wahrnimmt, wie denn der lustige Hans
von Schweinichen in seinen beiden Ehen solche darbietet. Auch
die Zimmerische Chronik weiss das Lob eines solchen Looses zu
preisen und lässt durch Berthold von Flersheim, einen "weisen
viel erlebten Wann" eine Lobrede auf „einfachen Hausstand und
liebe Hausfrauen, hübsch und fromm, auch jugendlicher und 3-9-
fälliger Sitten" aussprechen?)
Im Laufe der Zeit dringt nun auch in diese Kreise, wenn
schon langsam, die fortgeschrittene Bildung mit ihren Segnungen
ein und lasst die alte Rohheit nach und nach verschwinden. Hier
geht aber die Bewegung nicht vom niedern Adel aus, sondern
von den Fürsten. Namentlich unter dem Einfluss der Reformation
bildet sich ein streng, aber auch mild auftretender landesvater-
licher Sinn, das Kirchen- und Schulwesen wird geordnet, die
Verwaltung geregelt, eine thätige Polizei sorgt für Aufrechthaltung
der Ruhe und des Landfriedens. An den Höfen gewinnt allmälig
eine edlere Sitte Platz, Wissenschaft und Kunst verbreiten auch
hier ihren Einfluss, ein Sammeleifer erwacht, der sich bald von
blossen Curiositäten auf antike Münzen und Steine, auf Gemälde
und Schnitzwerke erstreckt. Das ganze Leben der Höfe wird
dadurch allmälig veredelt, und an die Stelle der rohen Schwel-
gereien treten Feste, bei denen es immer noch üppig genug hergeht,
aber zugleich doch ein künstlerischer Zug sich bemerklich macht.
Solcher Art ist das glänzende Fest bei der Taufe eines Prinzen
am Hofe zu Stuttgart im Jahre 1596, von welchem uns Felix
Platter eine anziehende Schilderung hinterlassen hatrß) Das Ritter-
spiel wird durch einen prächtigen Maskenzug eingeleitet, bei wel-
(ghem fünf Kamele die Embleme der Erdkugel und paarweise
Vertreter der vier Welttheile zur Schau tragen. Der Herzog selbst
reitet in antiker Rüstung einher, oder um mit den Worten des
Chronisten zu reden „im Harnisch auf heidnische Weiss, so von
Malern mit Gold wunder-reich geziert, der Anzug also dass man
1) Sastrow I. 241, Zimm. Chron. III. 385, 335, 338, 340, -wo die „ver-
derbten kainnutzigen" Sitten des franz. Hofes geschildert werden. Vgl. dazu
III. 342 fg. 2) Zimm. Chron. III. 479. 3) Thomas und Felix Platter,
S. 196 ff.