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III. Buch.
Renaissance in Deutschland.
Bogenpforte bestehend, die ganze Anlage höchst malerisch. Am
äusseren Thor liest man: „Pax intrantibus, salus exeuntibus.
1586. S. WÖ", dann „H L S. u. M D M. Baumeister." Am inneren
Thorthurm ein schön profilirter ausgekragter Erker, darunter der
Reichsadler im Relief, neben ihm zwei knieende Engel, während
zwei andere Engel ihm die Krone halten.
Endlich hat die Stadt auch ihre Brunnen erneuert und im
Stil der Spätrenaissance prächtig ausgestattet. Am reichsten und
grossartigsten der Brunnen am Marktplatz, den wir auf S. 165
abgebildet haben. Die Flächen des grossen zwölfeckigen Wasser-
behalters sind ganz mit Ornamenten im Metallstil bedeckt. Auch
der Aufbau der Säule mit den vier hockenden Löwen am Posta-
ment, den originellen Verzierungen des Schaftes und den gro-
tesken Masken, das Alles ist in flottem Linienzug meisterlich
componirt und ausgeführt. Der Brunnen bildet mit dem gewal-
tigen Rathhaus und den hinter diesem hervorragenden Thürmen
der Jakobskirche ein malerisches Ganze, das zu den schönsten
deutschen Städteprospekten zählt. Andere Brunnen, minder an-
sehnlich im Ganzen, aber in derselben Ornamentik und wohl
von gleicher Hand entworfen, sieht man in der Herrengasse, in
der Spital- und Schmiedgasse, dieser von 1607, am achteckigen
Becken noch mit gothischen Maasswerken, übrigens in demselben
Stil der Spatrenaissance, das Kapital ein modiiicirt dorisches.
Der Brunnen am Kapellenplatz hat auf dem sechseckigen Becken
ein gutes Geländer von Schmiedeeisen; das Kapital der Säule
zeigt eine schlanke korinthische Form. Zur Anlegung dieser
grossartigeu Wasserwerke hatte die Stadt im April 1594 den
Baumeister Johann Georg Sommer von Kempten berufen, der eine
starke von ihm aufgefundene Quelle am Fusse des Berges unter
dem Tauberiiusse in das Brunnenhaus leitete und von dort mit-
telst eines Rades durch bleierne Röhren in die Stadt hinaufführte.
Auch hierbei also hatte man keinen einheimischen Meister zur
Verwendung. Den Kasten des Georgsbrunnens arbeitete 1608
der Steinmetz Hans Sclzeinsberger, die hohe Säule mit dem h.
Georg wurde von Stoßel Körner gehauen. Alle diese städtischen
Bauten Rcthenburgs in ihrer malerischen Anlage, ihrer reichen
Ausstattung und dem eleganten Zug ihrer Ornamente verrathen
die Hand von Künstlern, die zu den tüchtigsten Architekten der
deutschen Renaissance gehören.
Neben diesen öffentlichen Bauten bewahrt aber die bis jetzt
von dem Modernisirungslieber ziemlich frei gebliebene Stadt noch
eine Anzahl von beachtenswerthen Bürgerhausern. Zwar die
aussere Architektur derselben steht im Ganzen hinter derjenigen