Franken.
Rothenburg.
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zackig pittoreskem Umriss sich am Saume des Horizonts hin-
ziehen. Gleich der Eintritt durch die alten Wohlerhaltenen Thore
hat etwas Anheimelndes. Mit gespannter Erwartung durchwandert
man die stillen Strassen, bis man am entgegengesetzten west-
lichen Ende der Stadt etwa im "Hirsch" vor Anker geht. Hier
erwartet uns noch eine Ueberraschung. Beim ersten Blick aus
den westwärts gelegenen Fenstern gewahrt man, dass man sich
am äussersten Rande der Stadt befindet. Tief unten breitet sich
ein prächtig grüner Wiesengrund aus, von der Tauber in male-
rischen Krümmungen durchzogen, mit zerstreuten Häusern, Müh-
len und einer gothischen Kapelle besetzt. Hoch darüber auf steil
abfallendem Uferrand hat sich die Stadt angesiedelt, und rechts
und links greifen fast im Halbkreis ihre Mauern und Thürme sammt
den Ruinen der alten Burg vor, während aus dem Thale im
Zickzack angelegte Fahrstrassen und gewundene Fusspfade hinauf
führen.
Rothenburg ist von uralter Anlage und hat schon im Mittel-
alter eine ansehnliche Rolle gespielt, wie seine stattlichen Denk-
male gothischer Kunst, vor Allem die schöne Jakobskirche und
nicht minder die bedeutenden Befestigungswerke aus jener Zeit
bezeugen. Früh macht sich in der Entwicklung der Stadt ein
starker demokratischer Zug bemerkbar, der beim Anbruch der
neuen Zeit sich als leidenschaftliche Parteinahme für die Sache
der aufständischen Bauern zu erkennen gab. Oarlstadt hielt hier
unangefochten auf offener Strasse seine fanatischen Reden, die
Stadt ward (1525) der Mittelpunkt des aufrührerischen Treibens.
Erst nach dem Siege des Truchsess von Waldburg wurde das
alte Regiment wieder hergestellt und das Blut der Anführer floss
in Strömen. Eine dumpfe Ruhe scheint sodann die Gemüther
niedergedrückt zu haben und wohl in Folge davon drang man
erst 1545 zur kirchlichen Reform durch. Nun beginnt ein neues
Leben in der Stadt; aber im Schmalkaldischen Kriege hat sie
ähnlich wie Nürnberg durch ihre feige Neutralität schwer zu
leiden. Spät erst wie zur Reformation entschliesst sie sich auch zur
Aufnahme der Renaissance; bezeichnend ist es, dass sie dieselbe
durch Nürnberger und andere auswärtige Meister empfängt. Ein
Meister Wolf)" aus Nürnberg entwirft den Plan zum Rathhaus.
Neben ihm finden wir einen Hans von Annabery, der, als Ersterer
mit einer Verehrung abgefertigt wurde, den Bau selbständig er-
hielt und einen Balier Nicolaus von Hagenau annahm. Als Bild-
schnitzer wird Meister Crispinus genannt. 1) Wir finden bis gegen
1) Aufnahmen im 4. Heft von Seemamfs Deutscher Renaissance, von
G. Graetz.