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III.
Buch.
Renaissance in Deutschland.
scheinlich naehdrücklieher für- die Einbürgerung des neuen Stils
thätig sein können, wenn er nicht ein Opfer der stürmischen
Zeiten geworden wäre. Seit 1520 als erster Bürgermeister er-
wählt, tritt er beim Kaxnpfe um religiöse und politische Freiheit
an die Spitze. Nach Niederschlagung des Bauernkrieges musste
er der blutdürstigen Reaction des Bischofs Conrad von Thüngen
weichen, wurde aus dem Rathe gestossen und scheint dann die
letzten Lebensjahre in tiefer Zurückgezogenheit verbracht zu
haben.
In Würzburg bietet sich uns dasselbe Bild der Entwicklung,
wie wir es überall in Deutschland finden: In den ersten De-
cennien des 16. Jahrhunderts ein frisches Aufblühen der Kunst
aller Orten, geweckt und getragen vom fröhlichen Hauch der
Renaissance. Neben der Blüthe der bildenden Künste in Malerei
und Plastik, in Holzschnitt und Kupferstich beginnt auch die
Architektur sich aus handwerklicher Verknöcherung aufzuratfen
und frische Blüthen zu treiben. Noch höher steigt die Begeisterung
der Nation und sucht in einer Erneuerung des religiösen und
politischen Lebens sich Genüge zu thun. Welche Anregung die
Kunst aus diesen Verhältnissen geschöpft hätte, ist kaum zu über-
sehen. Aber in der gewaltthatigen Reaction, die sich gegen das
berechtigte Streben aller edleren Geister erhob und in den
schweren Kämpfen, welche sie" veranlasste, musste das Schöne
leiden. So finden wir in Würzburg wie überall eine weitere
Blüthe der Kunst erst im Ausgang des '16. Jahrhunderts. Zunächst
ist hier Einiges am Rathhaus zu beachten, das in seinem Haupt-
bau dem frühen Mittelalter angehört. An die trotzige hochauf-
ragende Masse desselben stösst links ein etwas zurückspringender
Flügel mit einer Praehtfaeade von gewaltigster Kraft, aus rothem
Sandstein in derber Rustika aufgeführt. Der Bau verräth in Allem
die Hand eines bedeutenden Meisters, der grandios zu compo-
niren und bis zum hohen Giebel hinauf wirksam zu gliedern ver-
steht. Das Erdgeschoss öffnet sich als Durchfahrt mit einer
grossen Bogenhalle, die Schlusssteine sind als grinsende Masken
dargestellt. Dorische Pilaster bilden bis zum geschwungenen
Giebel hinauf die Eintheilung der Facade. Derselben Zeit ge-
hören die meisterhaften Eisengitter an den beiden unteren Seiten-
fenstern- des Hauptbaues. Auch das daneben angebrachte elegante
Portal, von kannelirtcn ionischen Säulen umfasst, verdient Be-
achtung. Im Bogen desselben ein schönes Eisengitter. Der ganze
Anbau bildet unten eine offene Halle mit hübsch gegliederter
Stuckdecke, deren Balken an den Wänden auf präßlltigen Fratzen
ruhen. Wieder ein kleiner Anbau, parallel hinter jenem, bildet