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III. Buch.
Renaissance in
Deutschland.
Korn siventhalben Gulden und ein . . Wein . . . Diser Brunnen
stet in Gottes Hand, zu den Engeln ist er genannt". Hinter
dem Brunnen ein Haus, dessen Erdgeschoss am Fries zwei aus-
gestreckte Gerippe und zwischen ihnen ein Stundenglas mit langer
Inschrift zeigt. Auf beiden Seiten kleine unbedeutende Ranken
in Flachrelief ausgeführt. Daneben ein Haus mit hübschem Re-
naissanceportal, von ionischen Pilastern eingefasst, ebenfalls nicht
bedeutend. Noch manche andre Hauser zeigen durch hübsch
geschnitzte Consolen auch hier das lange Andauern einer künst-
.lerisch ausgebildeten Holzarchitektur. Besonders reich das Haus
an der Ecke der Rathhausgasse. Erker ündet man selten, ein
paar polygone am Markt sind ohne künstlerische Bedeutung in
Holz ausgeführt. Das Rathhaus ist ein gothischer Bau von ge-
ringerer Beschaffenheit, aber ausgezeichnet durch eine doppelte
Wendeltreppe. Die Formen sind noch mittelalterlich trotz der
späten Jahreszahl 154. (die letzte Ziffer nicht ausgeschrieben).
Etwas reicher ist die Ausbeute in Lchr. Zunächst ist das
Rathhaus als ein kleiner origineller und charaktervoller Bau vom
Ende der Epoche zu nennen. Er bildet ein Rechteck, das in
seinen oberen Theilen, namentlich dem Dach und den Giebeln,
durch moderne Umgestaltung gelitten hat, im Uebrigen aber den
ursprünglichen Charakter bewahrt. Im Erdgeschoss ist es rings-
um mit grossen und weiten Blendarkaden auf reichgegliederten
Pfeilern geöffnet. Die Gliederung der Arkaden besteht noch ganz
in mittelalterlicher Weise aus einem lebendigen Wechsel von
Hohlkehlen und Rundstäben. Eine Arkade ist an jeder Seite
durch vorgesetzte kannelirte Säulen, am Hauptportal durch Her-
men als Eingang ausgebildet. Alles dies sehr wirksam und
tüchtig, obwohl im Detail der antikisirenden Formen kein volles
Verständniss herrscht. Die beiden oberen Geschosse zeigen statt-
liche Höhenverhältnisse und erhalten durch breite zweitheilige
Fenster mit gothischer Profilirung- ein reichliches Licht. Die
Ecken des Baues haben energische Einfassung mit Buckelqua-
dern. Der Eingang zu den oberen Stockwerken liegt noch ganz
nach mittelalterlicher Weise in einem an der rechten Langseite
vorgebauten polygonen Thurme mit Wendelstiege. Im Innern
fesselt der Sitzungssaal im zweiten Stock durch eine Stuckdecke
von einfacher, aber lebendiger Gliederung, in unsrer Fig. 114
oben links abgebildet. Am Durchzugsbalken die Jahrzahl 1607..
Sodann „MK . HN MDB . Gott allein die Ehr." (Die Mono-
gramme beziehen sich wohl auf damalige Magistratspersonen.)
Eine eiserne Säule hat die ursprüngliche hölzerne Stütze, auf
Welcher ohne Zweifel der Balken ruhte, verdrängt. Auch der