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Buch.
III.
Renaissance in Deutschland.
mit der Stadt 1479 nach dem Aussterben der männlichen Linie
an die Landgrafen von Hessen kam, fanden Erweiterungsbauten
zwischen 1513-20 statt; damals gewann das Schloss, wie eine
alte Beschreibung beweist, jene Ausdehnung wie eine mittelalter-
liche Fürstenresidenz sie verlangte. Namentlich wird im Erd-
geschoss ein grosser Saal genannt, „darin man fünfzehn Tische
aufrichten konnte", im zweiten Stock ein kleinerer Speisesaal,
eine Kapelle, neben welcher noch ein grösserer Saal, sowie die
erforderlichen Wohngemächer. Unter Philipp dem Grossmüthigen
litt das Schloss durch die Kämpfe mit den Kaiserlichen und
wurde 1546 durch Brand verwüstet. Darauf erfolgten Herstellungs-
bauten in den funfziger Jahren, wobei Herzog Christoph von
Würtemberg um Bauholz angegangen wurde, weil solches im
Lande nicht zu haben sei. Herzog Christoph willfahrte dieser
Bitte und schenkte u. a. eine bedeutende Anzahl 50-70 Schuh
langer Balken. Aber erst mit Georg I, dem Stifter des Hessen-
Darmstädtischen Hauses, entsteht etwa seit 1578 eine grossartigere
Bauthätigkeit; der alte innere Schlosshof wird durch den öst-
lichen Flügel mit der Kapelle und durch den südlichen („Kaiser-
Saalbau") zum Abschluss gebracht und mit jenen Portalen und Ge-
wölben geschmückt, welche wir oben betrachtet haben. In der
südöstlichen Ecke erhob sich ein stattlicher runder Hauptthurm;
ein kleinerer quadratischer Treppenthurm stand im einspringen-
den Winkel zwischen dem Hofconditorei- und dem Weissen
Saalbau (später durch eine moderne Treppenanlage beseitigt); ein
andrer endlich, noch jetzt vorhanden, in der südwestlichen Eckel
Als Baumeister wird Jakob Kessellmz genannt, neben ihm die
Maurermeister Peter de Colonia und Hans Marian, beide als nwälsche
Meister" bezeichnet. Das sodann unter Georg II seit 1629 er-
richtete Kanzleigebäude wurde später durch das moderne Schloss
beseitigt; dagegen sind die seit 1663 durch Ludwig VI hinzu-
gefügten Theile im anderen Schlosshofe, besonders der östliche
Flügel mit dem Treppenhause und dem Thurm, der das Glocken-
spiel trägt, wie wir gesehen haben, mit ihren stattlichen Portalen
noch vorhanden.
Aus der Spätzeit des 16. Jahrhunderts datirt auch das Rath-
haus, ein derber, tüchtiger Bau, mit zwei grossen Giebeln be-
krönt, deren Voluten etwas lahm und lang gezogen sind. Ein
viereckig vorspringender Treppenthurm, ähnlich abgeschlossen,
enthält die Wendelstiege mit gothisch behandelter Spindel. Das
Portal des Treppenhauses hat geraden Sturz und mittelalterlich
profilirte Einfassung, wird aber von zwei eleganten ionischen
Säulen eingerahmt, deren Schäfte am unteren Theil feine Orna-