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III. Buch.
Renaissance in Deutschland.
Säule, sondern ein viereckiger Pfeiler mit den Reliefgestalten
von Tugenden erhebt; darüber ein Aufsatz, dessen Profil durch
blasende Sirenen energisch geschwungen ist. Die bewegte Figur
der Justitia krönt das Ganze.
' Ist in Frankfurt ausschliesslich die bürgerliche Architektur
der Zeit vertreten, so bietet das benachbarte Offenbach in dem
Isenburgischen Schlösschen ein interessantes Beispiel eines Fürsten-
sitzes jener Zeit. Da dasselbe bereits eingehender dargestellt
worden ist,1) so darf ich mich hier auf das Wesentliche be-
schränken. Graf Reinhard von Isenburg, welcher 1556 Offenbach
zur Residenz erwählte, liess das alte verfallene Schloss abreissen
und an dessen Stelle ein neues errichten. Da dieses schon nach
drei Jahren vollendet war, darf man vielleicht annehmen, dass
es kein künstlerisch durchgeführtes Werk gewesen ist. Schon 1564
zerstörte ein Brand den ganzen Bau bis auf die nördliche Facade.
An diese baute der Graf sofort ein neues Schloss, welches 1572
vollendet, im innern Ausbau jedoch erst 1578 zum Abschluss
kam und zwar unter Graf Philipp, dem Bruder und Erben des
Erbauers. Das Prachtstück dieses Neubaues ist die Südfacade
mit ihren von zwei polygonen Treppenthürmen begrenzten Arka-
den, von welchen unsre Fig. 110 einen Theil verführt. Im Erd-
geschoss ist es eine sehr hohe Bogenhalle, mit schlanken, kanne-
lirten ionischen Pilastern besetzt, in den Bogenzwickeln und dem
Friese elegant ornamentirt. Die beiden oberen Geschosse, die
sich oEenbar den niedrigen Stockwerken des Innern fügen muss-
ten, sind deshalb sehr gedrückt und haben statt der Bögen nur
Architrave. Im ersten Stock sind die Pfeiler mit männlichen und
weiblichen Figuren hermenartig decorirt, im zweiten haben sie
einfache Kannelirung. Der ganze Bau ist mit grosser Zierlichkeit
durchgeführt, namentlich an den Friesen mit elegantem Ranken-
werk und an den Brüstungen mit reich ausgeführten Wappen
geschmückt. Es ist der Charakter einer zierlich spielenden Früh-
renaissance, derjenigen am Otto-Heinrichsbau zu Heidelberg ver-
wandt, in der Feinheit der Ornamentik jenem Bau nahe kommend,
im Figürlichen aber hinter ihm zurückstehcnd, ganz abgesehen
davon, dass die Verhältnisse an Schönheit und rhythmischer
Durchbildung ihn bei Weitem nicht erreichen. Ueber dem Dach
der oberen Halle steigt der Hauptbau noch um ein Geschoss
höher auf, mit nüchternen Rahmenpilastern gegliedert. Die unte-
ren Hallen sind mit Kreuzgewölben bedeckt, die Oberen haben
eine von Steinplatten gebildete flache Decke. Das obere Geschoss
L
Von Manchot in Försters Allg. Bauzeit.