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Buch.
III.
Renaissance in Deutschland.
Die benachbarten Gegenden am Rhein bieten nur geringe
Ausbeute. Die verheerenden Einfälle der Franzosen haben hier
wohl Vieles zerstört. Ungemein roh in der Behandlung, aber
von malerischer Composition, ist in Loreh das Hilchenhaus, von
welchem wir in Fig. 1107 eine Abbildung geben. Ein hoher und
breiter Giebelbau, mit spielenden Voluten und muschelförmigen
Krönungen, durch nüchterne Lisenen und Gesimse gegliedert.
Das Erdgeschoss ist in Quadern, die übrige Facade in den
Flächen blos geputzt, die construktiven Theile aus Sandstein
und zwar die Säulen, Eckeinfassungen, Füllungen der Fenster-
bänke aus rothem, die Pilaster, Fensterrahmen und Pfosten aus
gelbem Stein. Das Originellste ist der Erker, um welchen sich,
auf plumpen Säulen und elephantenmässigen Tragsteinen ruhend,
ein Balkon herumzieht. Man hat für den Bau offenbar nur
geringe Kräfte von handwerklicher Bildung zur Verfügung gehabt.
Das unbedeutende und ungeschickt behandelte Portal führt zu
einem niedrigen Flur, und dieser zu einer Wendeltreppe, die
links in dem Nebenhause, einem schlechten Fachwerkbau, liegt.
Das Hauptgeschoss enthält einen stattlichen Saal, mit einfacher
Balkendeeke, dabei der Erker mit gothischem Sterngewölbe. Da-
neben zwei andre Zimmer. Vor denselben läuft ein Gang mit
Tonnengewölbe, zur Linken desselben liegt die Küche mit andern
untergeordneten Räumlichkeiten, diese ebenfalls mit Tonnen-
gewölbcn. Die Thür zum Saal ist noch gdhisch. Das zweite
Geschoss hatwlieselbe Eintheilung. Ein mächtiger Keller, hier
im Lande des besten Rheinweins doppelt berechtigt, zieht sich
auf Säulen gewölbt unter dem Hause hin.
Ganz andrer Art ist ein Haus in Eltville (Ellfeld), das dem
Ausgang der Epoche angehört. Mit der einen Front nach der
Strasse liegend ist es im Uebrigen ganz von einem grossen Gar-
ten mit prächtigen Bäurnen eingeschlossen und zeigt in seiner
Anlage den Charakter eines vor-nehmen Landsitzes. Deshalb aller
Nachdruck auf das hohe Erdgeschoss gelegt, dem nur ein un-
bedeutendes oberes Stockwerk hinzugefügt ist. Das letztere völlig
schmucklos, und zwar mit Absicht so gehalten, während das
Erdgeschoss elegante Ausbildung zeigt. Die breiten dreitheiligen
Fenster, von schlanken ionischen Pilastern eingefasst, getheilt
und mit Giebeln bekrönt; die Pilaster kannelirt, der untere Theil
des Schaftes mit Ornamenten im Schlosserstil geschmückt. Die
Ecken des Hauses mit breiten einfachen Pilastern eingefasst.
Der kleine Erker an der. Strasse ist wohl neuerer Zusatz. Das
Portal liegt an der Gartenfront. Am Thorweg des Hüfes auf der
Rückseite der Besitzung sieht man ein Doppelwappen und die