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III.
Buch.
Renaissance
Deutschland.
Statt des Lettners findet sich der Rest eines schönen Gitters,
welches sich an den in der Mitte stehenden Taufstein anschliesst.
Erst gegen Ausgang der Epoche wird durch das Auftreten
eines bedeutenden Meisters der Architektur hier ein grösserer
Zuschnitt verliehen. Elias Hollf) von dem eine Selbstbiographie
als Manuscript in Augsburg aufbewahrt wird, wurde 1573 als
Sohn des Werkmeisters Hanns Hol! in Augsburg geboren und
hatte zuerst unter seinem Vater die Architektur praktisch erlernt.
Schon der Grossvater Sebastian Hol! war Mauermeister gewesen
und wird noch ganz in gothisehcr Sfilpraxis aufgewachsen sein.
Der Vater Hanns, der 1594 als Zweiundachtzigjähriger starb, also
1512 geboren war, hat dann jene aus mittelalterlichen und Re-
naissance-Elementen bestehende Mischarchitektur geübt, von wel-
cher man in Augsburg wie überall noch Spuren antriift. Doch
verstand er sich auch auf die „wälscl1e Manier wie er bei einem
Ricklinger-Schloss zu Inningen bewies. Seine zahlreichen Bauten,
die in seines Sohnes Aufzeichnungen genau registrirt werden,
müssen der Stadt damals bereits einen charakteristischen Aus-
druck gegeben haben. Grösstentheils waren es Bürgerhauser,
deren über sechsig angeführt werden, durch stattliche Facaden
mit Erkern, besonders aber durch gewölbte Arkaden in den Höfen,
auf Säulen oder Pfeilern ruhend, auch wohl durch Altane und
Prachtsäle ausgezeichnet. Im Jahre 1573 wird er von den Ge-
brüdern Fugger zu ihrem Jaglichen Maurer- und Werkmeister"
angenommen und hat für dieselben Manches auszuführen. 1576
erbaut er die Kirche des Sternklosters, Wobei er seinen drei-
jährigen Sohn Elias zur Grundsteinlegung mit in die Baugrube
hinabhebt; 1581 wird durch ihn das Collegium bei S, Anna. fast
völlig neu gebaut, im Hofe eine Arkade von 200 Schuh Länge,
mit Bögen auf Pfeilern in zwei Geschossen. Im Jahr 1586 fing
der dreizehnjalnige Elias unter seinem Vater zu mauern an, und
zwar zunächst bei Bauten, welche für Jacob Fugger ausgeführt
wurden. „Das war, erzählt er, ein wunderlicher Herr, und ich
hatte es gut bei ihm, weil ich mich gut in seinen sothanen Kopf
schicken konnte." Er "trank sich alle Tage gleich über Mittags-
mahlzeit voll," liebte aber auch fröhliche Gäste, und liess Nie-
mand etwas abgehen. Er wollte den noch sehr jugendlichen
Elias mit seinem Sohne Jörg „ins Welschland" schicken; allein
1) Vgl. Paul von Statten, Kunst- u. Gewerbsgeschichte der Stadt
Augsburg. S. 98 ff. Besonders aber die in einer Abschrift aus dem
18. Jahrh. noch vorhandene Selbstbiographie des Meisters, die mir
durtäl die Güte des dortigen Stadtmagistrats zur Durchsicht überlassen
wur e.