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III.
Buch.
Renaissance in Deutschland.
meist des Erkers, der sonst die deutschen Wohnhäuser dieser
Zeit so stattlich und heiter belebt. Es ist im Ganzen ein derber
Sinn, der sich hier kund giebt. Dagegen waren die Facaden
wohl durchgängig auf malerische Ausstattung angelegt, aber auch
hierin bewährt sich ein schlichter, fast nüchterner Sinn, denn
von Polychromie' findet man kein Beispiel, vielmehr werden die
Decorationen grau in grau oder in Sgraffito ausgeführt, oder man
begnügt sich gar mit einer blossen Wirkung durch den abwech-
selnd in glatten oder rauhen Flächen behandelten Stuck. Figür-
liche Bilder und vollfarbige Ausführung scheint man sich für
das Innere der Höfe vorbehalten zu haben, wie noch einige Bei-
spiele vorhanden sind. Die Sitte dieser Bemalung ist offenbar
durch die Handelsverbindung mit Oberitalien von dort her ein-
gedrungen.
Zu den frühesten dieser Privathäuser gehört das von der
Familie Weidmann erbaute sogenannte „Schlössle". Es ist in
der That eins jener schlossartigen Patrizierhäuser; ehemals auf
den Ecken mit neuerdings abgebrochenen Erkern ausgestattet.
Im Flur sieht man das Wappen der Familie und die Jahrzahl
1552. Die in den Hof führende Thür hat den gedrückten
gothisehen Schweifbogen, im Hauptportal zeigen die Thürflügel
schöne Schnitzwerke vom Ende der Epoche, und in einer oberen
fensterartigen Oeifnung eine hübsche Rosette von Schmiedeeisen.
Die hohen Giebel haben eine in Ulm häufig vorkommende Form,
die gleich allem Uebrigen von der hier herrschenden derben Ein-
fachheit der Behandlung zeugt. Die Linie des Giebels wird
nämlich durch aneinander gereihte Gesimsstücke, welche stets
dieselbe nach aussen und innen leicht geschweifte Linie zeigen,
gebildet. Nichts von Voluten, von plastischem Heraustreten, von
Pyramiden oder ähnlichen Aufsätzen wie sie sonst der Zeit eigen
sind. Es ist etwas nüchtern Vierschrötiges in dieser ganzen
Architektur, welches selbst in der gothisehen Epoche schon in
der Anlage des kolossalen, aber wenig durchgebildeten Münsters
sich verräth-Ein andrer schlossartiger Bau ist das in der Nähe
der Dreifaltigkeitskirche belegene Haus des Senators Dietrich,
wieder ein mächtiger Giebelbau, auf den vier Ecken diagonal
gestellte Erker, mit schlechten dorischen und ionischen Pilastern
decorirt, ebenso der Giebel. Die Hausthür zeigt prächtige iiott
geschnitzte Fruchtschnüre. Im Innern hat der Flur Kreuzgewölbe
auf einer mittleren Säule von sehr geringen Formen. Die kleineren
Thüren zeigen zum Theil noch gedrückte gothische Schweif bögen.
Das Ganze ist stattlich aber roh in den Formen. Dicht dabei in
der Steingasse das Kraiftische Haus, ebenfalls ein hoher Giebel-