388
III.
Buch.
Renaissance in Deutschland.
Aufnahme. In dem einspringenden Winkel des Vorbaues sieht
man das Reliefbrustbild eines Mannes, mit schellenbesetzter Gugel
bekleidet, dabei die Jahr-zahl 1618. An den oberen Flächen und
an der letzten Säule, wo ein Steinmetzzeichen zwischen den Buch-
staben W. W. sich findet, sind Flächenornamente nach Art von
Metallbeschlagen angebracht. Neben dem Podest der Treppe,
die ziemlich steil in einem Lauf hinaufführt, erhebt sich der
oben in's Achteck übergehende einfache Thurm.
Reich ist auch in den Städten des Oberlandes die Ausbeute
an Renaissancewerken nicht. In Rottweil haben wir zunächst
den stattlichen auf Seite 213 abgebildeten Brunnen, ein originel-
les Werk, im schlanken pyramidalen Aufbau noch gothisch ge-
dacht, aber mit geistreicher Erfindung durchaus in die Formen
der Renaissance übertragen. Die kleinen unteren Pfeiler sind
mit hübschen Flachornamenten bedeckt und tragen Statuetten
von verschiedenen Tugenden. Einfacher ist ein anderer Brunnen
vom Jahre 1622, in herkömmlicher Weise nur aus einer stark
verjüngten Säule mit wunderlichem frei korinthisirendem Kapital
bestehend, welches einen heiligen Christophorus trägt. Eine ma-
lerisch wirksame Facade mit zwei polygonen Erkern und da-
zwischen je zwei doppeltheiligen, mit Pilastern eingefassten
Fenstern trägt die Inschrift: "Taddaeus Herderer Filius Consul
reornavit". Die einzelnen Formen und Glieder sind indess sehr
trocken und deuten auf eine mittelmässige Hand. Dagegen sind
im Uebrigen die breiten Strassen der Stadt nur durch ganz kunst-
lose Holzerker an den hohen Giebelhäusern male1'isch belebt.
Die Architektur zeigt Verwandtschaft mit der in den oberrheini-
schen Schweizerstädten, namentlich in Stein und Schaühausen;
wahrscheinlich wurden die Faeaden ursprünglich auch wie dort
durch Wandmalereien belebt.
Aus den übrigen oberschwäbischen Städten haben wir Eini-
ges oben mitgetheilt; so in Fig. 19 ein schmiedeeisernes Gitter-
thor aus Aulendorf, in Fig. 20 eine andere Eisenarbeit aus
Ravensburg, in Fig. 37 ein Portal aus Biberach, in Fig: '22
einen Ofen aus Kisslegg. Die Architektur hat dort in der Re-
naissancezeit keine hervorragenden Werke geschaffen.
Ulm.
_ Bedeutender entfaltet sich die Kunst der Renaissance erst
1I1_T_J1m. Schon im Mittelalter war die Stadt sowohl durch viel-
Seltlge Gewerbsthätigkeit als ausgedehnten Handel reich und