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Schwaben.
Die Reiehsstädte.
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wirkend. (Fig. 62.) Sodann wird das Mühlengebäude mit
seinem abgetreplaten Giebel und den kraftvollen Gesimsen für ein
Werk desselben Architekten ausgegeben. Da Schickhardt aber in
seinem Inventar keine Erwähnung davon thnt, so ist hier offen-
bar die Hand eines seiner Zeitgenossen zu erkennen. Gleiche
Behandlung zeigt ein Haus in der Vorstadt jenseits des Neckars.
Dagegen gehört das in Fig. 94 abgebildete kleinere Privathaus in
der Hauptstrasse zu den charakteristischen Werken der deutschen
Renaissance, in welchen gothisehe Anlage und Profilbildnng mit
den Formen des neuen Styles sich anziehend mischen. Man
liest über der Hausthür: „Ferel1t Got und handle recht. 1593".
Die
Reichsstädte.
In den Gegenden am unteren Neckar, welche dem Fränkischen
benachbart sind, tritt die Einwirkung eines mächtigen Fürsten-
thums zurück, und die Entwicklung der Architektur dieser Zeit
ist vorwiegend in den Händen städtischer Gemeinwesen. In ein-
zelnen Fällen kommen auch adlige Schlossbauten vor. Die be-
deutendste Blüthe finden wir um diese Zeit in der alten ansehn-
lichen Reichsstadt Heilbronn. Schon oben (S. 218) wurde er-
wähnt, dass der Oberbau des Hauptthurms der Kilianskirche
eins der frühesten Werke der deutschen Renaissance ist. In.
origineller Weise (vergl. Fig. 95) hat der ausführende Baumeister
dabei auf die Formen der grossen romanischen Kuppelthlirme
zurückgegriffen, deren phantastische Bildwerke sogar eine freie
Nachahmung erfahren haben. Nahe Verwandtschaft bietet be-
sonders der grosse westliche Thurm des Doms zu Mainz, der in
ähnlicher Weise mit mehreren Galerien über verjüngten acht-
eckigen Geschossen ausgeführt ist. Als Architekt nennt sich in
einer Inschrift am Baue Meister Hans Schweiner von Weinsberg,
und die Ausführung des Werkes geschah in den Jahren 1513 bis
15291) Zwei Jahre vor der Vollendung wurde in Heilbronn die
Reformation eingeführt und in der Kilianskirche das Abendmahl
unter beiderlei Gestalt ausgetheilt. Die nächste Zeit brachte
schwere Schicksale über die glaubensmuthige Stadt, welche mit
Entschiedenheit dem schmalkaldischen Bunde beigetreten war.
Trotz eines Salva-guardia-Briefes vom Herzog Alba, wurde die
friedliche Stadt 1548 durch die spanische Soldateska schonungs-
los geplündert, die Kilianskirche mit Gewalt erbrochen und zum
1) Das Geschichtliche bei H.
Hauptkirche zu Heilbronn. 1833.
Titot ,
Beschr.
Gesch.
und
der swfahgel.