Kap-
Schwaben.
Stuttgart.
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Kanzleistrasse die den Hof umgebende Mauer schliesst. Unsre
Abbildung auf S. 160 zeigt eine edel entwickelte Renaissance, die
nicht blos in den eleganten kannelirten korinthischen Säulen,
sondern auch in den Reliefbildwerken, welche die Bogenzwickel
füllen, zu den schönsten Arbeiten jener Zeit gehören. Das Eck-
haus an der Kronprinzen- und Lindenstrasse mit seinem hohen
geschweiften Giebel wurde 1580 begonnen. Die jetzige reiche
Ausschmückung der Facade mit Fresken ist eine tüchtige Arbeit
des vorigen Jahrhunderts.
Allen diesen gediegenen und zum Theil prachtvollen Schöpf-
ungen gegenüber ist es überraschend, wie dürftig das Bürger-
thum in Stuttgart sich architektonisch ausgeprägt hat. Rings
umgeben vom schönsten Sandstein in unerschöpflich reichen
Lagern hat der bürgerliche Wohnhausbau bis in die Gegenwart
überwiegend am Holzbau festgehalten, uud zwar in einer Weise,
welche die künstlerische Ausbildung des Fachwerkbaues gänzlich
vernachlässigt und in elender Charakterlosigkeit die Construction
durch Putz zu verdecken sucht. Selbst das Rathhaus ist ein
werthloses Produkt dieser Richtung. Ein paar andere hohe
Giebelhäuser am Marktplatz haben wenigstens durch Erker ein
belebteres und zugleich stattlicheres Gepräge erhalten. Von die-
sen ist das jetzt mit Nr. 5 bezeichnete ein Prachtstück einfacher
und doch wirkungsvoller Composition, durch reiche Balkons,
Altane und drei hoch aufgebaute Erker mit Spitzdächern von
malerischer Wirkung. Aus Schickhardfs Inventar geht hervor,
dass es derselbe Bau ist, welchen er mit Ausnahme des altern
noch gothischen Erdgeschosses 1614 für Christoph Keller ausge-
führt hat. Im Uebrigen trägt Alles selbst in der nordwestlich
von "der alten Stadt gelegenen Turnierackervorstadt, in welcher
man um 1615 „die lustigsten Strassen, schönsten l-lauser und
reichsten Leute" fand, und die man dann die reiche Vorstadt
nannte, durchweg denselben dürftigen Charakter des sehlichtesten
Riegelbaues. Nur einige der ansehnlichereri Hauser, deren Erd-
geschoss massiv errichtet ist, zeigen eine Spur künstlerischer
Ausstattung in den oft prächtig ausgeführten Steinconsolen, welche
an den Ecken über dem Erdgeschoss die oberen Stockwerke anf-
nehmen. Das beste Beispiel dieser Art ist die in Fig. 93 abge-
bildete Console am Eckhaus der Königstrasse gegen die Planie.
Einige andere finden sich noch in mehreren Strassen der reichen
Vorstadt, namentlich in der Büchsenstrasse, wo Mehreres auf
Schickhardt hinweist, in der Garten, Calwer-, Kanzleistrasse und
anderwärts. Eine prächtige Console mit ausdrucksvollem mann-
lichem Kopfe vom Jahre 1605 an der Ecke der Kirchstrasse und