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III. Buch.
in Deutschland.
Renaissance
schräg kannelirt, nach unten ausgebaucht und mit demselben ge-
zackten Blattwerk bekleidet. Dann folgt ein hoher cylinder-
förmiger Untersatz wie ihn auch die Säulen im Hof des alten
Schlosses zeigen. Diese Theile haben ganz besonders eine Ver-
wandtschaft mit den F01'men im Schloss zu Tübingen. Sie deuten
auf dieselben Baumeister und denselben Bauherren als welchen
wir für diese Theile den Herzog Ulrich bezeichnen müssen. Die
Gemächer im zweiten Stock enthalten mehrere gute Stuckdecken
in den derben üppigen Formen des 17. Jahrhunderts. Ein grosses
Zimmer dagegen hat noch seine alte Täfelung in einfachen For-
men, die Thüren mit eingelegter Arbeit und gutem Schlosser-
werk ausgestattet.
Zu den späteren unter Herzog Friedrich I entstandenen
Zusätzen gehört an der Nordostecke des Baues der stattliche in
Form einer kolossalen Säule erbaute Thurm, welcher eine Wendel-
trcppe enthält. Ueber dem prächtigen Kapital, welches wir in"
Fig. 36 gegeben haben, bildet sich ein mit durchbrochenem Gitter
abgeschlossener Umgang, darüber ein Postament neuerdings mit
der vergoldeten Nachbildung des Merkur von Giovanni da Bologna
besetzt. Der Thurm hatte ehemals reichen Goldschmuck und trug
die Jahrzahl 1593.
Im rechten Winkel mit der alten Kanzlei, den Platz von der
Westseite abschliessend, erhebt sich der Prinzenbau, gegen-
wärtig die Wohnung der Prinzessin Friedrich. Eine Inschrift
über dem Portal berichtet, dass Herzog Friedrich I von 1605
bis 1607 den Bau errichtet, Eberhard III ihn vergrössert und
der Administrator Friedrich Karl unter Herzog Eberhard Ludwig
ihn 1663 bis 1678 neu hergestellt habe. Dies ist jenes von
Schickhardt erwähnte Werk (vergl. S. 343), welches als glänzen-
der Prachtbau entworfen, damals in den Fundamenten stecken
blieb. Die Facade zeigt die Formen der Spätzeit, aber in be-
sonders strenger klassischer Behandlung. Die Stockwerke sind
niedrig und erhalten durch Pilaster in den drei antiken Ord-
nungen eine angemessene Gliederung. Die Fenster haben im
Erdgeschoss den Rundbogen, in den beiden oberen Stockwerken
rechtwinklige Umrahmung, welche je zwei gekuppelte Fenster
umfasst. Das Portal ist mit doppelten korinthischen Säulen und
einem antiken Giebel umrahmt. Ueber ihm erhebt sich ein Bal-
con auf kraftvollen plastisch geschmückten Consolen.
Von öffentlichen Gebäuden ist nur noch das Landschafts-
haus zu nennen, dessen erster Bau 1565 noch unter Herzog
Christoph begonnen wurde. Aus dieser Zeit scheint das schöne,
leider stark beschädigte Portal herzurühren, Welches in der