Kap
Schwaben.
Stuttgart.
371
ein malerisches Gepräge. Von den beiden Portalen ist das öst-
liche, dem Schloss zunächst liegende das ältere. Es trägt die
Formen der Frührenaissance und dürfte seinem künstlerischen
Charakter nach auf den Ausgang der Regierung Herzog Ulrichs
zurückgeführt werden. Sehr kurze Pilaster auf ebenfalls kurzen
Stylobaten, mit frei korinthisirenden Kapitälen, deren Laubwerk
an die Arbeiten im Hof des Schlosses zu Tübingen erinnert, am
eingerahmten Schaft Medaillons mit Kriegerköpfen, fassen den
im Stichbogen überwölbten Eingang ein. Darüber eine Attika
mit ionischen Rahmenpilastern, zwischen welchen das würtem-
bergische Wappen kräftig und einfach hervortritt. Auf einem
Spruchband liest man die Inschrift: V. D. M. I. E. (Verbum
doinini manet in eternum), den bekannten Wahlspruch Herzog
Ulrichs. Daneben sieht man im Flachrelief jederseits einen
Hirsch, einmal stehend, einmal liegend in einer Landschaft. Von
der oberen Bekrönung sind nur noch geringe Reste erhalten.
Das andere westlich gelegene Portal trägt die Merkmale der
ausgebildeten Renaissance und wird gleichzeitig mit dem oben
erwähnten Giebel entstanden sein. Hier haben die Formen die
völlig entwickelte antike Behandlung, die kannelirten Pilaster
mit gedrückten Composita-Kapitälen sind schlank und deshalb
ohne Postament. Der Bogen des Portals bildet einen vollstän-
digen Halbkreis und steigt von einem klassisch geformten Kämpfer-
gesims auf; der Schlussstein ist mit einem kraftvollen, leider stark
zerstörten Männerbrustbild geschmückt. Erwähnenswerth am
Aeussern sind nur noch die treiflichen alten Wasserspeier mit
ihren reich gearbeiteten schmiedeeisernen Stangen.
Das Gebäude, welches lange Zeit die Regierungsbehörden
des" Landes aufnahm, ist jetzt hauptsächlich der Bau- und
Gartendirection sowie Dienstwohnungen eingeräumt und hat an
der östlichen Seite die neu hergestellte Hofapotheke. Im Innern
münden beide Portale auf breit angelegte mit gothischen Netz-
gewölben versehene Flure. Von diesen gelangt man in die beiden
Treppenthürme, deren Spindeln spätgothische Riefelungen zeigen.
Den oberen Abschluss macht ein schönes Sterngewölbe auf Laub-
consolen. Auch im Hauptgeschoss hat der breite Flur ein treff-
liches gothisches Netzg-ewölbe von sehr flacher Spannung mit
Laubwerk und figürlichem Schmuck an den Schlusssteinen. Der
Flachbogen, der sich gegen die Zimmerflucht öffnet, und dessen
abgefasste Ecken in kleine Voluten enden, ruht auf einer Wand-
säule, die den Charakter der Frührenaissance reich und lebendig
ausspricht. Ihr Kapital erinnert in freier Umbildung des fast noch
gothischen Laubwerks an die korinthische Form, der Schaft ist