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Schwaben.
Stuttgart.
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kamen. In der Mitte beider Langseiten führten prachtvolle Por-
tale in den Saal und über denselben und den angrenzenden
Loggien waren Zimmer, in welchen die Musik verdeckt aufge-
stellt werden konnte. Die gewölbte Decke dieser Emporen ruhte
in der Mitte auf einer hölzernen Säule. Rings um die Wände
des Saales zogen sich Bänke für die Zuschauer. Die ersten
Singspiele und Ballette, in welchen die prunkvolle damalige Zeit
sich gefiel, wurden hier aufgeführt, wobei auch in akustischer
Hinsicht der Raum sich als tadellos erwies. Unterhalb des Baues
lag ein kleiner See mit springenden Wassern, auf welchem im
Anfang des 17. Jahrhunderts ein venetianischer Gondolier mit einer
Gondel angestellt war.1)-
Das gleiche Schicksal ider Zerstörung hat den sogenannten
Neuen Bau betroffen, welchen Herzog Friedrich I südlich vom
Schlosse von 1600 bis 1609 durch Heinrich Schickhardl aufführen
liess. Obwohl derselbe 1757 im Innern ausbrannte, war das aus
prächtigen geschliffenen Quadern solid aufgeführte Gebäude noch
so wohl erhalten, dass es zwanzig Jahre später nur mit grosser
Mühe niedergerissen und dem Erdboden gleich gemacht werden
konnte. Wir geben nach einer alten Abbildung 2) unter Fig. 92
eine äussere Ansicht. Es War ein Prachtwerk, im Verhältniss
zu den sonstigen Ausartungen der Zeit ungewöhnlich rein und
streng durchgeführt. Nur die Krönungen der Fenster und der
Portale zeigten durchbrochene Giebel und andere Barokformen.
Auf den vier Ecken traten quadratische Thürme vor, welche
Eingänge enthielten. In der Mitte der Facade nahm ein ähn-
licher Vorbau, der über dem Dache erkerartig abschloss, das
Hauptportal auf. Diese vertretenden Theile waren mit Eck-
pilastern gegliedert, sämmtliehe Fenster des hohen dreistöekigen
Baues mit antiken Gliederungen kraftvoll eingefasst. An den
Fenstern der Erker zeugten reich durchbroehene Balkone von
einer Aufnahme südlicher Sitte, während die lebendige Vertikal-
gliederung', die Pavillons mit ihren Kllppßldäßhßrll, die 11011611
geschweiften Giebel und das mächtige abgewalmte Hauptdach
nordische Gewohnheiten vertraten. Im Innern enthielt das Erd-
geschoss Stallungen, darüber lag ein prachtvoller Saal, 124 Fuss
1) Vg-L „Kurtze Beschreibung dessjenigen was von einem Fremden in
auf dem daselbstigen Lust-Haus, Neuen Bau, Kunst-Kammer, Grotten etc;
item an andern Gebäuen und Stjieken Merekvyürdiges zu sehen." Ohne
Jahrzahl, aber nach 1733 ersehlenen. 2) E111" nach {lem Brande ausge-
führtes Oelgemälde, den Bau ebenfalls von der Sudostselte darstellend, auf
der Hofdomänenkammer zu Stuttgart.