Kap. IX.
Schwaben.
Stuttgart.
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Länge und ist in drei Geschossen mit stattlichen Bogenhallen
umgeben, deren Flachbögen auf kräftigen Säulen ruhen. In ori-
gineller Anordnung sind die Arkaden um die beiden in den Ecken
des Westflügels liegenden runden Treppenthürme herumgeführt.
Dem Eintretenden zur Rechten liegt die Kapelle C, zu Welcher
im unteren und obern Geschoss reich dekorirte, Portale führen.
Aus dem östlichen Flügel D springt aber ein gewaltiges Treppen-
haus vor, das sich schon durch die schräg gestellten Fenster in
seiner Bedeutung ankündigt. In einer Urkunde des Stuttgarter
Archivs vom 23. August 1558 befiehlt Herzog Christoph dem
Meister Blasius Bermart, sich nach Dillingen zu begeben, wo er
im Schlosse des Bischofs von Augsburg „einen Schnecken" ge-
sehen, der ihm dermassen gefallen, dass er einen ähnlichen im
Stuttgarter Schloss ausführen lassen wolle. Da später von dem
„Schnecken am alten Hause" noch weiter die Rede ist, so kann
nur diese grosse Reitschnecke oder -Treppe gemeint sein. Ein
gewölbter Thorweg vermittelt den Eingang in das Treppenhaus
und zugleich in den kolossalen Raum der Türnitz D, in welche
man mit Ross und Wagen hineinfahren konnte. Die Treppe
selbst ist eine sanftansteigende Rampe, die auf steigenden Kreuz-
gewölben ruht und auf deren steinernem Fussboden man bis in
das oberste Geschoss hinaufreiten kann. Der zur Linken im
spitzen Winkel vorspringende Bau enthält die breite Treppe,
welche zu den kolossalen gewölbten Kellern hinabführt.
Von besonderem Interesse muss ursprünglich die jetzt ver-
wahrloste ungeheure 'l'ürnitz gewesen sein. Bei einer Breite von
60 Fuss und einer Länge von 165 Fuss wird der Raum durch
Pfeiler mit hohen Rundbögen in zwei Schiffe getheilt. Grosse
gothische Fenster, fünf in der Front, je zwei an den andern
Seiten, führten ihm ein genügendes Licht zu. Ohne Zweifel bil-
dete der Saal ursprünglich das Hauptgebäude, den Pallas der
Burg, der im Mittelalter als Versammlungs- und Speisehalle des
Grafen und seiner Vasallen diente. Später scheint er zu kleine-
ren Turnieren benutzt worden zu sein, aber schon zu Herzog
Christophs Zeiten war er zur Speisehalle der mittleren und nie-
deren herzoglichen Beamten und Hofdiener bestimmt, die hier
gegen 450 Köpfe stark an 50 Tischen täglich gespeist wurden.
Der anstossende Thurm F hat unten einen Saal, dessen Kreuz-
gewölbe auf einer mittleren Rundsäule ruhen. Eine eingebaute
Wendeltreppe bildet die Verbindung mit dem oberen Geschoss,
wo ein ähnlicher Saal sich befindet. Der Thurm G enthält im
Innern einen grossen Saal von 36 Fuss Durchmesser und steht
mit der Türnitz durch eine Thür in Verbindung. Im Ugbl-jgen
K u gler, Gesch. d.Baukunst.V. 23