Kap. IX.
Schwaben.
Stuttgart.
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Das alte Schloss stellt sich schon von aussen mit seinen
gewaltigen Mauern, den hohen Dächern, den kolossalen runden
Eckthürmen, den Erkern, Altanen und Giebeln als eine impo-
sante malerische Anlage dar (Fig. 86). An Höhe und Massen-
haftigkeit überragt alle übrigen Theile der alte östliche Flügel,
der im Erdgeschoss die grosse Türnitz mit ihren hohen Spitz-
bogenfenstern enthält, darüber noch zwei Stockwerke und ein
Dachgeschoss. Dieser gegen die Morgensonne gelegene Theil
enthielt schon in alter Zeit die herrschaftlichen Wohngemächer.
Der mit einem g-rossen Altan abgeschlossene an der rechten Seite
vorgeschobene Bau wurde 1558 als Archiv hinzugefügt. Er trug
ehemals einen kleinen Lustgarten mit seltenen Blumen, andern
fremden Gewächsen und einem Springbrunnen. Den Rundthurm
neben dem Archiv liess Herzog Ludwig 1578 erbauen. Bei einem
äusseren Durchmesser von 45 Fuss ist er in schönem Quaderbau
ausgeführt, während die übrigen Theile des Schlosses aus un-
regelmässigen Werksteinen errichtet sind. Derselbe Herzog fügte
dann an der entgegengesetzten südwestlichenEcke in ähnlicher
Struktur einen zweiten Rundthurm (H in Fig. 87) von 32 Fuss
Durchmesser hinzu. Noch gewaltiger und zugleich ein Muster
gediegenster Ausführung in schönem Quaderbau ist der Thurm G
an der südöstlichen Ecke, 50 Fuss im Durchmesser, 1687 unter
Herzog Eberhard Ludwig hinzugefügt, dessen Namenszug man
mit der Jahreszahl am Aeussern liest. An der Südseite unter-
bricht die polygone Altarnische der Kapelle mit ihren hohen
spatgothischen Fenstern die einfachen Mauermassen. An dieser
wie an der nördlichen Seite springt der Bau des Herzogs Chri-
stoph um etwa 18 bis 20 Fuss über den alten östlichen Flügel
vor. Von der Nordseite führt ein einfaches Portal im Rundbogen
durch einen gewölbten Thorweg in den Sehlosshof. Neben dem
Portal enthält ein moderner Anbau die Schlossküche. Die Haupt-
front, in einer Ausdehnung von gegen 250 Fuss, bildet die West-
seite, wo auch der Haupteingang, aus einem Thorweg und einem
Pförtchen für Fussgänger bestehend, durch die gewölbte Einfahrt
A in den Schlosshof führt. Ueber dem Portal endet der hier
niedriger gehaltene mittlere Theil der Facade mit einer terrassen-
förmigen Altane, auf welcher bei festlichen Gelegenheiten die
Musikanten ihren Stand hatten. 1) Ueberall ist das Aeussere des
Baues durchaus schlicht und schmucklos. Das einzige künst-
lerische Werk sind die beiden Wappen über dem Hauptportal,
L
1) Vgl. Wahrhaffte histor.
Herzogs zu Württemberg etc.
Beschr.
(Stuttg.
der fürstl. Hochzeit
1610 fol.) p. 54.
J 0h.
Friedr.