348
III. Buch.
Renaissance in Deutschland.
Stuttgart.
Die Hauptstadt Würtembergs verdankt ihre erste Anlage und
ihr Emporkommen ihren Fürsten. 1) Schon im 13. Jahrhundert
finden wir hier einen Ort, der sich an eine Burg der, Grafen
von Würtemberg lehnte, und schon 1286 weiss dieselbe der Be-
lagerung König Rudolphs I kräftigen Widerstand zu leisten.
Mit dem 14. Jahrhundert wird die Burg mehr und mehr der Lieb-
lingsaufenthalt der Grafen, und schon 1417 werden verschiedene
Wohnlichkeiten genannt, darunter „des Grafen altes Gemach oben
im Haus mit fünf guten Bettstatten, die Kammer mit dem Wurz-
garten gegen den Hof hinaus, der Erker mit drei Bettstatten,
die grosse Stube neben des Grafen Gemach, die Ritterstube oben
im Haus und die untere grosse Türnitz". Zugleich ist die Rede
von einem vor der Burg gelegenen Sommerhause, und 1480 wird
des neuen Hauses gedacht, das Graf Ulrich der Vielgeliebte er-
baut haben mag. Diese frühere mittelalterliche Anlage bildete
offenbar eine lose Gruppe unter einander vielleicht durch Gange
verbundener Gebäude, durch Mauer, Wall und Graben nach der
Sitte der Zeit wahrscheinlich eingeschlossen. Seit durch den
Münsinger Vertrag 1482 Stuttgart ausdrücklich zur Hauptresidenz
ernannt wurde, musste auch die Bedeutung der Burg steigen,
und Herzog Christoph War es, der den Anforderungen der neuen
Zeit zuerst in einem grossartigen NeubauBechnung trug, indem
er die älteren Gebäude bis auf den östlichen?) Flügel (D in
unsrer Fig. 87) abtragen liess und seit 1553 diedrei neuen Flü-
gel mit ihren stattlichen Arkaden hinzufügte. Aus diesem Jahre
datirt ein im Stuttgarter Archiv aufbewahrtes Schreiben des Her-
zogs Christoph, welches die Werkmeister Joachim Meyer und
Peter Busch mit den Vorarbeiten beauftragt. Den Kostenanschlag
hat ein Meister Blasius Berwart, der auch sonst noch vorkommt,
angefertigt. Als eigentlichen Baumeister lernen wir aber aus den
Acten Aberlin Tratsch kennen, an welchen die meisten folgenden
Erlasse des Herzogs gerichtet sind. Durch ihn entstand das jetzt
zum Unterschied von dem neuen Residenzschloss als Altes
Schloss" bezeichnete Gebäude, welches ohne Frage zu den 11er-
vorragendsßn Schöpfungen der deutschen Renaissance gehört.
1) Für das Historische vgl. Gesch. d. Stadt Stuttgart von Dr. K. PfaH.
2 Bde. Stuttg. 1845, und Beschr. des Stadtdirektionsbezirkes Stuttg. 1856,
2) Die Orientimng des Schlosses weicht etwas von den Hauptpunkten
des Compasses ab, so dass der östliche Flügel, streng genßmmen, nach
OSO. liegt. Ich ziehe indess, der Deutlichkeit wegen, die einfache Be-
Zeichnung vot,