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III.
ßuch.
Renaissance in
Deutschland.
Allgemeiner
Theil
hundert ein anziehendes Bild. 1) Welche Schieksalswechsel in
diesen Kreisen namentlich der überseeische Handel manchmal
mit sich führte, erfahren wir aus der lebendigen Schilderung-
Schweinichens von dem Kaufmann in Wolgast, der durch die
Heimkehr seines schon verloren geglaubten Schiffes vom drohen-
den Untergang gerettet wird. Allerdings wurde der Handels-
verkehr in Deutschland selbst noch vielfach gehemmt; durch die
unselige Kleinstaaterei, welche mit völliger Verkennung volks-
wirthsehaftlicher Grundsätze nur dem eigenen Fiskus zu Liebe
die Land- und Wasserstrassen mit Zöllen und Stapelrechten be-
schwerte. Ein erg-ötzliches Bild von der Quälerei, mit welcher
diese Verhältnisse selbst die grosse Verkehrsader des Rheins be-
lästigten, aber auch zugleich, wie man sich durch Privilegien
und Freibriefe dagegen zu schützen suchte, giebt das Tagebuch
von Dur-er's Reise nach den Niederlanden, wo es alle Augen-
blicke heisst: „Do zeigte ich mein Zollbrief, do liess man mich
zollfrei fahren". Eine noch ärgere Plage waren allerdings die
Ritter vom Stegreif, die auch jetzt noch genug Unsicherheit in's
Land brachten. Doch haben wir schon gesehen, dass diese Plage
immer mehr abnahm, je mehr die Macht der einzelnen Landes-
fürsten sich befestigte und zu geordneter Verwaltung durchdrang.
Man darf wohl sagen, dass diese weiten Handelsverbindungen
zur Entwickelung des Geistes der Nation nicht minder beigetragen
haben, als die Arbeit des Gelehrten in der Stille des Studir-
zimmers und auf dem Katheder. Der Trieb in die Ferne, dem
germanischen Gemüthe so tief eingepflanzt, wurde durch den
Handel zunächst genährt, nahm aber unmittelbar eine univer-
sellere Richtung an. Die wissenschaftliche Tendenz der Zeit, der
tiefe Drang nach Durchforschung und Erkenntniss der Welt spricht
sich schon früh selbst in solchen abenteuerlichen Unternehmungen,
wie des Münchners Schildberger aus, der im ersten Viertel des
löalahrhunderts Asien durchwanderte; oder in der Fahrt des
Straubingers Ulrich Schmiedel, der 1534 auf einem Nürnberger
Schiffe von Cadix nach Brasilien fuhr und nach zwanzigjähriger
Abwesenheit eine Beschreibung seiner Reise herausgab. In diese
Reihe gehören auch die Reisen des Hans Ulrich Kraift, der 1573
über Marseille nach Syrien reiste, dort in türkische Gefangen-
schaft fiel und in anziehender Weise seine Beobachtungen über
Land und Volk niedergelegt hat?) S0 berichtet er in seinem
1) Herausgeg. von Dr. Hassler in der Bibl. d. lit. Ver. Bd. I.
Ulrich Kraßfs Reise und Gefangenschaft, herausg. von Hassler.
lit. Ver. Bd. LXI.
2) Hans
Bibl. d.