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III.
Buch.
Renaissance in Deutschland.
können; sodann aber kommt die Thätigkeit mehrerer Reichsstädte
in Betracht, unter welchen Augsburg und Ulm einen hohen Rang
in der deutschen Kultur- und Kunstgeschichte einnehmen, andere
wie Heilbronn und Nördlingen, Gmünd und Esslingen sich in
zweiter Linie wetteifernd anschliessen. S0 umfasst die Renaissance
Schwabens alle Seiten des damaligen deutschen Kulturlebens und
bildet für sich wie keine andere unserer Provinzen im kleinen
Rahmen ein vollständiges Spiegelbild des grossen Ganzen.
Alle Abstufungen des Stiles finden wir hier vertreten. Den
Anfang macht Heilbronn mit dem Glockenthurm seiner Kilians-
kirche (1510-1529) im phantastisch bunten Uebergangsstil mit
starker Einmischung mittelalterlicher, sogar noch romanischer
Formen. Um dieselbe Zeit fügt Ulm seinem Rathhaus diejenigen
Theile hinzu, welche etwas ausgeprägter den Stil der Frührenais-
sance verrathen. Auch in Augsburg tritt ebenso früh (1512) die
neue Bauweise auf. Nach diesen bahnbrechenden Versuchen in
den Reichsstadten nehmen die Wüitembergischcn Fürsten in ener-
gischer Weise die Renaissance auf. Schon Eberhard im Bart,
durch eine Pilgerfahrt nach Palästina 1482, mehr noch durch
wiederholte Reisen nach Italien und durch die Vermählung mit
der edlen Barbara Gonzaga von Mantua für eine höhere Bildung
gewonnen, gründet als Freund der Wissenschaften die Universi-
tät Tübingen und fördert eifrig- die bildenden Künste. Was aber
unter seiner Regierung ausgeführt ist, wie der prächtige Betstuhl
in der Kirche zu Urach lässt noch nichts vom Einfluss der Rc-
naissance erkennen. Die ersten unruhigen Zeiten des leiden-
schaftlichen Herzogs Ulrich (1503-1550) waren nicht geeignet,
künstlerischen Unternehmungen Vorschub zu leisten. Aber seit
der Rückkehr in sein Land (1534), das lange genug unter der öster-
reichischen Gewaltherrschaft geseufzt hatte, macht sich der durch
herbe Schicksale gelauterte Fürst nicht bloss durch eifrige För-
derung der Reformation, durch Neugestaltung der Universität,
durch Pflege und reiche Dotirung der Schulen, welchen die Güter
der aufgehobenen Klöster zu Statten kommen, sondern auch durch
künstlerische Unternehmungen um die Kultur hochverdient. Er
führt den grossartigen Bau des Schlosses zu Tübingen aus und
errichtet in Stuttgart als Sitz der Landesbehörden die alte Kanz-
lei, deren Bau theiliveise noch jetzt die Formen seiner Zeit tragt.
Eine höhere selbständige Entfaltung gewinnt dann das Kultur-
leben des Landes mit der glücklichen Regierung des edlen Herzogs
Christoph (1550-1568), eines der treffliehsten Fürsten der Zeit,
Eifrig bedacht auf die Wohlfahrt seines Volkes fördert er Ylfissen-
Sßhaft und Kunst, Handel und Gewerbe nach allen Seiten und