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III.
Buch.
Renaissance
Deutschland.
G eistescultur ausgeliefert und im Vatican unter Schloss und Riegel
gelegt. Einige sechzig Jahre später brannten und verheerten die
Banden Ludwigs XIV wiederholt 1689 und 1693 den gewaltigen
Bau nieder. Seitdem steht er als unvergleichliche Ruine da.
Die Stadt Heidelberg selbst hat nach den Verwüstungen
durch die Franzosen, welche sie fast ganz in Asche legten, nur
wenige Spuren der älteren Zeit aufzuweisen und es ist um so
mehr zu verwundern, dass überhaupt ein Bau übrig geblieben
ist wie das Haus zum Ritter. Es ist eine der prachtvollsten
Facaden, Welche die deutsche Renaissance aufzuweisen hat.
Man darf in dem Reichthum der plastischen Gliederung und
Decoration den Einiiuss des prächtigen Otto Heinrichsbaues er-
kennen. Als die französischen Hugenotten von fanatischem
Glaubenshass verfolgt wurden, fanden sie in der Pfalz unter
Kurfürst Friedrich III und seinem Sohne Johann Kasimir gast-
liche Zuflucht. Von einem dieser Vertriebenen, dem reichen
Fabrikbesitzer und Gutsherrn Charles Belier, wurde 1592 dies
prächtige Haus erbaut. Es ist eine breit angelegte, mit hohem
Giebel abgeschlossene Facade, mit kräftigen Säulenstellungen
decorirt, im Erdgeschoss dorische, darüber ionische und endlich
korinthische, dann im Giebel noch zwei Ordnungen korinthischer
alles in derben kräftigen Formen, die Schäfte cannelirt, auf
facettirten und mit Bandornamenten geschmückten Postamenten.
Im Erdgeschoss sind neben dem grossen Portal breite Bogen-
fenster angebracht. Darüber bauen sich zwei rechtwinklige Erker
auf, durch die beiden Hauptgeschosse gehend, zum Theil die Ent-
wicklung der unteren Säulen unterbrechend. Eine üppige Orna-
mentik ist über alle Glieder ausgebreitet; Hermen in phantasti-
scher Form fassen die Erkerfenster ein, Masken und Arabesken
schmücken die Giebel derselben und die durchgehenden Friese
der oberen Stockwerke, an den Fensterbrüstungen sieht man die
Brustbilder des Erbauers und seiner Gemahlin Franziska Soriau,
den Widder als sein Namenszeichen, die Wappenschilder und die
Brustbilder von vier Merovingischen Königen. Dazu kommen
zahlreiche Sprüche. Am Fusse des Giebels liest man: „Si Jehova
non aedificet domum frustra laborant aedificantes eam." Darüber;
„Perstat (sie!) invicta Venus", endlich oben am Giebel: „Soli
deo gloria." Die Ornamentik verbindet mit dem Vegetativen und
Figürlichen das Riemen- und Flechtwerk der späteren Epoche
und steht darin dem Friedriohsbau des Schlosses näher als dem
Otto Heinrichsbau; aber an Feinheit der Behandlung bleibt die
Faeade erheblich hinter jenen beiden Meisterschöpfungen ziu-ück.
Besonders ungünstig wirken die kolossalen nüchtern gebildeten