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III. Buch.
in Deutschland.
Renaissance
pfeiler getheilt. Zwischen diese spannen sich Kreuzgewölbe,
während der Hauptraum mit Sterngewölben bedeckt ist, Alles
noch in gothischer Construction mit kräftig profilirten Rippen.
Das obere Geschoss enthielt die Wohnung des Kurfürsten, der
zweite Stock die Zimmer seiner Gemahlin und ihrer Frauen.
An diesen Bau fig-te der Kurfürst gleich nach Vollendung
desselben 1608 die grossartige 'I'errasse L mit ihren Eckpavillons
und der stattlichen gewölbten Bogenhalle. Endlich liess er den
weiten unregelmässigen Schlosshof planiren, zur Ausgleichung
der Terrainverschiedenheiten Rampen und Treppen anlegen und
das Ganze durch ein Wasserbassin mit Springbrunnen und durch
Aufstellen von Obelisken und antiken Denkmälern, welche die
Umgegend geliefert hatte, schmücken. So war das Innere des
Schlosshofes mit seinen umgebenden Gebäuden zur Vollendung
gebracht. Was dem Anblick an Ruhe und Einheit abging, wurde
reichlich aufgewogen durch malerischen Reiz und Manniehfaltigg-
keit. Auf zwei echt deutsche Eigenthümlichkeiten sei hier noch
hingewiesen. Sammtliche Treppen, mit Ausnahme einiger Dienst-
treppen im südlichen Ludwigsbau, sind nach mittelalterlicher Art
als Wendelstiegen in vorspringenden Thürmen angebracht; und
ferner: alle Theile des Schlosses verzichten auf die dem Süden
entlehnte Anlage offner Galerieen. Nur der Bau Friedrichs II
macht eine Ausnahme. Dafür kehren aber die nachfolgenden Bau-
herren zur geschlossenen Facade zurück.
Die letzte Vergrösserung fügte Friedrich V, der unglückliche
Winterkönig, seit 1612 an der nordwestlichen Ecke hinzu. Es
ist der sogenannte „Englisehe Bau", auf unserm Grundriss
durch hellere Schraffirung angedeutet, mit zwei convergircnden
Mauern, welche über den Schlossgraben bis zum runden Thurm R
reichen. Der Erbauer errichtete denselben seiner Gemalin Elisa-
beth von England, der Tochter Jakob's I zu Liebe. Die Grund-
lage des Baues bilden die unter Ludwig V aufgeführten Be-
festigungsmauern mit ihren hohen gewölbten Kasematten. In
zwei Stockwerken auf beiden Seiten nach Nord und Süd durch
eine grosse Anzahl dicht gestellter Fenster erhellt, erhob sich
der Bau, aussen durch die schlichten schmucklosen Quader-
mauern auffallend, im Innern mit reichster Ausstattung, zu
welcher man den Maler Fouquiers aus Antwerpen berief. Nichts
als die feinen Stuckornamente in den Fenster-Wänden ist von
dieser Pracht geblieben. Der Bau bezeichnet aber, in seiner ab-
sichtsvollen Einfachheit sich von der derberen, schmuckvolleren
deutschen Renaissance des Friedrichsbaues unterscheidend, das
Hereinbrechen jener strengeren klassischen Behandlung, welche