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VIII.
Die lafälzischen Lande.
Heidelberg.
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Otto-Heinrichsbaues. Genial ist aber die Art wie der Architekt
in den Grundzügen seiner Oonception sich seinem Vorgänger an-
schliesst, in den hohen Fenstern des Erdgeschosses, der Doppel-
theilung sämmtlieher übrigen Fenster, dem Statuenschmuck, wel-
cher mit den Pilastern alternirt, endlich sogar den beiden auf-
gesetzten Giebeln, und wie er doch dies Alles frei umbildet
selbständig einem strengeren, consequenteren architektonischen
Gesetz unterwirft, namentlich statt der spielenden Fenster-
krönungen dort durchgängig Giebe1dächei' anwendet, ja wie er
sogar die Statuennischen durch die über denselben vertretenden
Consolen mit den architektonischen Gliedern in enge Verbindung
setzt. Freilich verfiel er in einen andern Fehler, indem er die
Pilaster mit solchen Nischen durchbrach, ein Fehler der bei ihm
schwerer wiegt, weil seine Pilaster durch das scharfe Betonen
der Vertikalen für das architektonische System seiner Faoade
eine viel ernsthaftere Bedeutung ausdrücken als diejenigen am
Otto-Heinrichsbau, welche nichts als eine zierliche Ausschmückung
der Fläche bedeuten wollen. Aber ein solcher Mangel wiegt nicht
schwer bei einer im Uebrigen so meisterhaften Composition, die
unter den gleichzeitigen Werken wiederum ersten Ranges ist.
Dass ansserdem die schlankeren Verhältnisse mit der ganzen
Tendenz des Baues im Einklang stehen, braucht kaum angedeutet
zu werden.
Der bildnerische Schmuck entspricht auch hier dem derberen
Charakter der Zeit und des Baues. In den Nischen stehen fürst-
liche Standbilder in der massigen Tracht und der bewegten
Haltung jener Epoche. Sie beginnen in der untersten Reihe mit
dem Erbauer und seinen drei Vorgängern Johann Casimir, Lud-
wig VI und Friedrich dem Frommen. In der zweiten Reihe finden
sich Ruprecht I, Friedrich der Siegreiche, Friedrich II und Otto
Heinrich. Die dritte Reihe bilden vier Könige aus pfälzisch-
wittelsbachischem Stamme: Ludwig der Baier, Ruprecht von der
Pfalz, Ludwig von Ungarn und Christoph II von Dänemark. An
den Giebeln endlich sieht man Carl den Grossen, Otto von Wittels-
bach, Ludwig I und Rudolph I. Zwischen den Giebeln steht die
Statue der Gerechtigkeit. An Stelle der idealen Ausdrucksweise
des Otto-Heinrichsbaues tritt hier eine mehr realistische im Dienste
fürstlicher Hausinteresscn mit ihren gencalogischen Liebhabereien.
Meister Sebastian Gözz aus Chur hat mit acht Gesellen die
Bildwerke ausgeführt. Im Innern ist das Erdgeschoss ganz
von der Kapelle ausgefüllt, neben welcher nur ein Durchgang
nach der grossen Terrasse geblieben ist. Die Kapelle ist ein ein-
faehes Rechteck, durch stark nach innen vorspringende Strebe-