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III.
Buch.
Renaissance in Deutschland.
Hände sprechen endlich die zahlreich angebrachten Steinmetz-
zeichen.
Ueber vierzig Jahre Stillstand tritt nach der Vollendung
dieser Arbeiten in der Bauthätigkeit des Schlosses ein, Erst
Friedrich IV begann 1601 die alten Theile der Nordseite ein-
zureissen und daselbst im Erdgeschoss eine neue Kapelle und
darüber zwei Stockwerke mit Wohnzimmern zu errichten. Schon
nach sechs Jahren war dieser Neubau vollendet. An Ausdehnung-
dem Otto-Heinriehsbau nachstehend er misst; etwa 90 Fusg
Lange bei etwa 50 Fuss Tiefe sucht er denselben durch kraft-
volle Entfaltung seines Aufbaues zu überbieten. Es ist ziemlich
allgemein Sitte geworden, den Friedrichsbau geringschatzig zu
beurtheilen. Nichts leichter in der That als die spröde und harte
Ornamentik desselben zu tadeln, die nichts mehr von der Fein-
heit des Otto-Heinrichsbaues hat, vielmehr überall die geometri-
schen Formenspiele, die Riemengeilechte mit Schnallen, die wie
aus Leder geschnittenen oder aus Eisenblech getriebenen Zier-
rathen der Spätepoche in reichem Maasse zeigt. 1) Aber diese Nach-
bildungen von Schlosser- und Ricmerarbeit, diese facettirten
Quadern, die übrigens im Erdgeschoss des Otto-Heinrichsbaues
auch schon, wenn auch noch bescheiden, auftreten, bilden doch
nicht das einzige Element einer künstlerischen Würdigung: Sie
zeigen allerdings, dass die Zeit derber und realistischer geworden
war, dass die ideale Stimmung der früheren humanistischen
Epoche verklungen ist. Aber giebt man diese Ausdrucksweise
einmal zu, so wird man bald erkennen, dass diese derbere Orna-
mentik mit grossem Geschick von einem Meister gehandhabt
worden ist, der an Reichthum der Erfindung seinem Vorgänger
vom Otto-Heinrichsbau nicht nachsteht, in den wesentlichen
Punkten architektonischer Oomposition ihn aber übertriüft. Vor
,Allem ist zu sagen, dass der Architekt den Vertikalgedanken,
auf welchem nun einmal die, deutsche Auffassung des Facaden-
baues beruht, zum Gesetz seines IBaues gemacht hat (Fig. 81).
Wohl sind auch bei ihm die Geschosse durch reiche Friese und
Gesimse horizontal markirt, aber die Pilaster, welche die einzel-
nen gliedern dorisehe, toscanische, ionische und korinthische
in hergebrachter Reihenfolge sind durch die verkröpften Ge-
simse in eine strengere Verbindung gebracht, machen die ver-
tikalen Linien zu den dominirenden, lassen die beiden hohen
Dachgiebel mit ihren geschwungenen Profilen in organische Ver-
bindung mit der Facade treten, vermeiden also die Mangel des
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ahf S.
Fig. 42
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