Kap
VIII.
Die pfälzischen Landg.
Heidelberg.
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die feinen Pilaster und Halbsäulen unterordnen, erinnert an
jene Stufe des italienischen Palastbaues, welche durch Leo
Battista Alberti begonnen und durch Bramante vollendet wird.
Im Charakter dieser Frührenaissance ist es auch, dass der Meister
die Gesimse ausschliesslich für die einzelnen Stockwerke com-
ponirt und kein mit Rücksicht auf das Ganze gestaltetes krönen-
des Gesimse anwendet. Ein solches konnte er um so weniger-
gebrauchen, da sonst seine Dachgiebel von der Facade zu scharf
getrennt worden waren. Dazu fügt er nun eine plastische Be-
lebung in Ornamenten aller Art und in figürlichem Schmuck, Wie
sie so reich selbst im verzierungslustig-en Mailand und Venedig
oder sonstwo in Oberitalien kein Profanbau kennt. Man hat wohl
auf die üppige Facadc der Certosa von Pavia hingewiesen; aber
dort galt es einen kirchlichen Bau mit den höchsten Mitteln der
Marmorplastik auszustatten, und allerdings sind die Bekrönungen
der Fenster, sowie die in Statuen aufgelösten Pfeiler das erste
epochemachende Beispiel dieser Art von Decoration. Zutreffender
aber ist der Vergleich mit den Backsteinfacaden Oberitaliens,
denn so gut die feine Flachenverzierung von Bramantds späteren
römischen Bauten nur von jenen Backsteinfacaden ausgeht,
so und in noch höherem Grade erinnert der Otto-Heinrichsbau
an jene oberitalienischen, mit Terracotten bekleideten Palast-
facaden. Derselbe Reichthum, dasselbe zarte Relief der Flächen-
decoration, dieselbe Sparsamkeit in den Ausladungen sämmtlicher
Glieder. Der schöne, warm röthliche Ton des Heilbronner Sand-
steins verstärkt noch die Wirkung, so dass man in der That eine
Incrustation von Terracotten zu sehen glaubt. Im Uebrigen aber
geht der ausgezeichnete Baumeister selbständig seinen Weg, und
indem er die verschwenderische Ueppigkeit der Oertosa, wo Alles
in plastischem Ornament fast erstickt, vermeidet, giebt er seiner
Facade die denkbar höchste decorative Pracht, weise gezügelt
durch die architektonischen Grundgesetze der Composition. rWohl
könnte man die grossen Hauptlinien etwas markiger betont wün-
schen, aber die harmonische Stimmung und der ruhige Adel des
Ganzen dürfte leicht dadurch zerstört werden. So wie die Facade
vor uns steht, ist sie der edelste Spiegel und die höchste Blüthe
des deutschenvHumanismus in seiner vollen Idealitat. Dass an
einen italienischen Meister nicht zu denken sei, hat man langst
erkannt. Ebenso wenig kann man auf einen französischen ver-
muthen. Man braucht nur die höchste, ungefähr gleichzeitige
Leistung des französischen Palastbaues, den innern Hof des Louvre
in Vergleich zu ziehen, um des Unterschieds inne zu werden, um
den selbständigen deutschen Charakter unseres Baues zu erkennen.